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Foto: APA/EPA/Hammi

Während gegen den einen Ghannouchi - den aus dem Umfeld von Präsident Ben Ali stammenden Premier Mohamed Ghannouchi - noch demonstriert wird, wurde der andere, Rachid Ghannouchi, von seinen Anhängern begeistert empfangen: Nach 22 Jahren im Exil, zuletzt in London, kehrte der70-jährige tunesische Islamistenführer am Wochenende heim.

Vor seiner Rückkehr nach Tunis wurde Ghannouchi von Journalisten in Interviews den ganzen islamistischen Wunschzettel abgefragt: Nein, er wolle keine Wiedereinführung des Kalifats, nein, er wolle keinen islamischen Staat in Tunesien, sondern eine Demokratie, und nein, er wolle Frauen nicht zu Hause einsperren.

Dass es in der von ihm mitbegründeten Partei Ennahda ("Erneuerung") auch Kräfte gibt, die ihn einmal rechts überholen könnten, fürchten viele. Aber Tunesien hat von ganz nahe erlebt, was "die Bärtigen" im Algerien der 1990er-Jahre angerichtet haben, und Radikalismus ist deswegen im Allgemeinen schlecht angeschrieben.

Rachid Ghannouchi studierte in Tunesien, Ägypten, Syrien und Frankreich anfangs Landwirtschaft und später Philosophie; zuerst war er noch Sozialist, wandte sich aber immer mehr dem Islam zu. In den 1970ern gründete er seine erste islamische Gruppierung wider die "Verwestlichung" der islamischen Welt, für die er aber auch den Mangel an Demokratie und einen "falschen" Islam verantwortlich machte. Religiöser Radikalismus, wie ihn damals der ägyptische Muslimbruder Sayyid Qutb auf die Spitze trieb, lehnt er ab. Seine politischen Ansichten sind jedoch sehr antiwestlich, was ihn unter Verdacht der Terrorismusnähe brachte: Ghannouchi strengte in dieser Sache einige Prozesse gegen Medien an und gewann sie.

Das linke Gedankengut ist in seiner Lesart des Islam noch klar zu finden: Wirtschaftliche Gerechtigkeit war schon Teil der gegen die Präsidentschaft von Habib Bourguiba gerichteten Botschaft seiner Partei "Islamischer Trend", die er 1981 gründete und aus der sich später die Nahda entwickelte. Ghannouchi wurde verhaftet, gefoltert, verurteilt, wieder freigelassen, 1987 zu lebenslang verurteilt, konnte jedoch 1988 ins Exil gehen.

Ghannouchi sagte schon vor seiner Heimkehr nach Tunesien, dass er nicht bei Präsidentschaftswahlen antreten werde und dass er die Parteigeschäfte Jüngeren überlassen wolle. Aber eine höchst politische Figur bleibt er dennoch. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2011)