"Als Designer hat man selbstverständlich eine ganz besondere Affinität zur Marke Apple. Fast schon eine Art Liebesbeziehung, eine Beziehung mit Geschichte": Peter Deisenberger, Gründer und Creative Manager der Brandingagentur Brainds. 

Foto: Brainds, T. Topf

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Welche Unternehmensbereiche führen Sie mit Ihrer Marke?

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Wie sehr trägt Marke zum Unternehmenserfolg bei?

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Wird Markenführung in österreichischen Unternehmen an Bedeutung gewinnen?

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Die Brandingagentur Brainds hat gemeinsam mit OGM die Bedeutung von und den Umgang mit Markenführung in Österreich erhoben. Marken werden in Österreich eher willkürlich als systematisch und strategisch geführt, so ein Ergebnis der Umfrage. Es herrsche noch ein veraltetes und verkürztes Verständnis von Marke und Markenführung vor, nämlich: Marke ist Marketing. Warum Österreich hier hinterherhinkt und Mitarbeiter als Markentreiber noch keine große Rolle spielen, erzählt Brainds-Geschäftsführer Peter Deisenberger im etat.at-Interview.

etat.at: Welche Ergebnisse haben Sie am meisten überrascht?

Deisenberger: Als Pionier am österreichischen Brandingmarkt konnte man selbstverständlich einiges vorausahnen. Die Studienergebnisse haben wissenschaftlich untermauert, was man aus persönlicher Erfahrung schon kannte. Was mich aber schon überrascht hat, war der Grad an Unbedarftheit in Österreichs Unternehmen, - vor allem wenn man bedenkt, dass erstens nur Markenverantwortliche und zweitens nur Unternehmen ab 100 Millionen Umsatz befragt wurden, also nicht 30-Mann-Gewerbebetriebe in der Provinz. Dass Österreich Nachholbedarf in Sachen Markenführung hat, war mir klar; dass allerdings der Nachholbedarf so groß ist, das hat mich doch überrascht.

etat.at: Die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihr Unternehmen über keine definierte, festgeschriebene Markenstrategie verfügt.

Deisenberger: Dafür gibt es vermutlich eine ganze Reihe von Gründen; um nur einige anzuführen: eine nicht mehr zeitgemäße und schon gar nicht zukunftsgerichtete Managementausbildung; die in Österreich doch sehr verbreitete unkritische Betrachtung der eigenen Führungsqualifikationen; das Unterschätzen der Relevanz von Markenführung für den wirtschaftlichen Erfolg; die alleinige Konzentration in Österreichs Managementetagen auf rationale, organisatorische und zahlenorientierte Faktoren und der Mangel an Innovationsfähigkeit und damit eng verbunden an unternehmerischem Mut.

etat.at: Was antworten Sie einem Unternehmensleiter, der meint: Was soll das sein, Markenführung? Warum sollen wir das machen? Wir haben eh eine Marketing-Abteilung.

Deisenberger: Markenführung ist die hohe unternehmerische Kunst, das komplexe rationale, emotionale und kulturelle Beziehungssystem einer Marke so zu managen, dass das Markenversprechen an allen Kontaktpunkten einer Marke widerspruchsfrei eingelöst wird. Anders gesagt: Verspricht eine Marke beispielsweise Innovation, dann muss dieses Versprechen überall spürbar werden: in den Produkten selbst, in der Produktentwicklung, in allen kommunikativen Äußerungen der Marke von der Werbung bis zur Architektur und in seiner Unternehmenskultur. Wenn man die Marke nicht professionell genug führt, dann lässt man Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale liegen. Und das sollte man doch als Unternehmensleiter tunlichst vermeiden, oder?

etat.at: Ein Ergebnis der Studie: Mitarbeiter spielen als Markentreiber noch immer keine große Rolle. Warum wird dieses Potenzial nicht genutzt?

Deisenberger: Dieses Phänomen ist mir persönlich unerklärlich. Wenn man seine eigenen Mitarbeiter nur als Kostenstellen sieht, dann wäre es noch verständlich. Doch wer tut das heute noch? Markenthemen sind selbstverständlich auch HR-Themen. Vielleicht hat es etwas mit der reduzierten Betrachtung einer Marke zu tun: Marke ist gleich Logo. Und Marke ist gleich Marketing - und hat daher mit der HR-Abteilung nichts zu tun. Mitarbeiter sollten aber eigentlich die leidenschaftlichsten Botschafter ihrer Marke sein. Wenn die eigenen Mitarbeiter die Marke nicht tragen, warum sollte es dann ein Kunde tun?

etat.at: Die führenden Marken in Österreich sind Red Bull, Swarovski und Raiffeisen. Sind diese Spitzenplätze in Rankings eine direkte Konsequenz richtiger Markenführung? Und was machen diese Marken besser als andere?

Peter Deisenberger: Der Erfolg der von Ihnen erwähnten Marken ist sicherlich auch auf die exzellente Führung dieser Marken zurückzuführen. Sie zeichnen sich unter anderem durch konsistente Signale, durch langfristige Brand Management- und Kommunikationsstrategien und durch in sich stimmige und für die jeweiligen Zielgruppen sehr attraktive Markenwelten aus. Da ich jedoch ein sehr kritischer Mensch bin, sehe ich selbst in diesen Marken noch Verbesserungspotenziale.

etat.at: Welche?

Deisenberger: Bei Red Bull war die Marke, meiner Meinung nach, schon einmal spitzer und mutiger positioniert. Im Falle von Swarovski habe ich den Eindruck, die Realität hängt in manchen Bereichen der Markenvision nach und ein Aufbau von Produktdesign-Kompetenz erschiene ratsam. Und bei Raiffeisen würde ich erwägen, ob nicht bestimmte Unternehmensbereiche eine eigenständigere, zielgruppenspezifischere Linie unter der Dachmarke Raiffeisen fahren sollten.

etat.at: Welche Unternehmen sehen Sie als Vorbilder in Sachen Markenführung?

Deisenberger: Vorbilder in Sachen Markenführung gibt es viele, vor allem in den Branchen, die durch besonders harte Wettbewerbsbedingungen und sich stetig wandelnde Märkte charakterisiert sind, beispielsweise die Automobil-, Sport-, Unterhaltungselektronik-, Mode- und Kosmetikbranche. Marken wie Audi, BMW, Adidas, Puma, Sony, Armani, Prada und wie sie alle heißen, wären nicht überlebensfähig, wenn sie nicht gut geführt würden. 

Als Designer hat man selbstverständlich eine ganz besondere Affinität zur Marke Apple. Fast schon eine Art Liebesbeziehung, eine Beziehung mit Geschichte. Die Marke Apple zeichnet vor allem eines aus, nämlich das, was wir kulturelle Produktentwicklung nennen. Eine Produktentwicklung, die über die technologische weit hinausgeht und aus anonymen Produkten Kultprodukte machen kann.

etat.at: Twitter, Facebook & Co: Was verändert sich in der Markenführung durch Social Media?

Deisenberger: Starke Marken zeichnen sich immer dadurch aus, dass es eine Gruppe von Anhängern und Fans gibt, die der Marke die Treue halten und sie weiterempfehlen. Heute nennt sich das Community. Und dementsprechend hat Social Media als Community-Werkzeug natürlich auch Einfluß auf die Markenführung. Wobei ich mir als Unternehmen immer die Frage stellen muss, ob meine Zielgruppe auch wirklich auf den entsprechenden Kanälen und Plattformen zu finden ist. Nur weil 500 Millionen Menschen auf Facebook sind, heißt das noch lange nicht, dass meine Brand Community auch dort zu finden ist. Und was viele auch vergessen: Lediglich einen Blog oder eine Facebook-Seite zu eröffnen und einmal im Monat Presseaussendungen zu posten, schadet mehr als es nutzt. Social Media bedeutet eine Menge Arbeit, denn es geht um den Aufbau und die Pflege von Beziehungen.

etat.at: Wie geht man vor, wenn man moderne Markenführung im Unternehmen etablieren will?

Deisenberger: Voraussetzung ist zunächst einmal eine professionell, systemisch entwickelte, festgeschriebene und im Unternehmen klar kommunizierte Markenstrategie. Zweite Voraussetzung: Die Markenstrategie muss handlungsanweisend sein. Jedem Mitarbeiter muss klar sein, was die Markenstrategie für Konsequenzen in seinem Bereich hat, wie er in seinem täglichen Tun das Markenversprechen einlösen kann. Drittens benötigt man einen Masterplan, der die vielen einzelnen Projekte zu koordinieren, zu steuern und auf das große Ziel auszurichten vermag. Und schließlich braucht man Ausdauer. Eine Marke entsteht nicht von heute auf morgen. Und die Markenführung selbst hört nie auf. (ae, derStandard.at, 1. Februar 2011)