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 Sieht keine Änderung bei Konzernverkauf: Markus Breitenecker

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STANDARD: Rassismus - O-Ton "Nega-Oide" - und Austria´s next Topmodel: Zur Vermarktung ist Ihre Strategie ja schlüssig, aber hat man da nicht das Augenmaß verloren mit der Behauptung, Puls 4 werbe nicht damit, der Ankündigung, das wäre das wichtigste Thema der nächsten Folge, dann kommt der Ausschluss doch erst in der übernächsten Folge?

Breitenecker: Das ist überhaupt nicht aus Vermarktungsgesichtspunkten zu sehen. Da wäre das auch abzulehnen und die Kritik berechtigt. Wir haben aber nicht damit geworben.

Wir hatten eine Programmankündigung, und, so denke ich, das Richtige gemacht. Die Kandidatin, die das gesagt hat, ist hinausgeflogen, und zwar in der Chronologie, wie es tatsächlich passiert ist. Das wurde nicht später hineingeschnitten, um es über zwei Folgen zu ziehen. Und die Kandidatin ist nicht im Wettbewerb, sondern außernatürlich hinausgeflogen wegen dieses Sagers. Aus Sicht von Clara Akinyosoye, Chefredakteurin des Jahresberichtes Schwarze Menschen in Österreich, war diese Vorgangsweise die einzig Richtige. Dass eine Kandidatin mit Migrationshintergrund die Staffel zwei gewonnen hat und dass jetzt eine andere auf Grund rassistischer Äußerungen hinausfliegt, zeigt, dass wir mit dieser Thematik sehr verantwortungsbewusst umgehen. Wir haben auch in unserer Sendung „Talk of Town" mit Hans Rauscher und Clara Akinyosoye das Thema aufgearbeitet.

STANDARD: Wieviel mehr Seher brachte die Inszenierung „Austria´s next Topmodel"? Üblicherweise flaut das Interesse bei Castingshows nach dem Auftakt ein wenig ab, Sie hatten mit dem Sager rund 30.000 Zuschauer mehr als bei der ersten Folge dieser Staffel.

Breitenecker: Das kann man so nicht sagen. Bei der letzten Staffel war das nicht so, das hat sich im zweiten Monat gesteigert. Die Rekordquoten der ersten beiden Folgen hatten wir, ohne, dass das ein Thema gewesen wäre. Ich glaube, das Thema hat sich nicht messbar auf die Quoten ausgewirkt.

STANDARD: Jetzt schreibt das Seitenblicke Magazin, die Adressatin dieses Sagers, Lydia, würde diese Staffel gewinnen. Das müssten Sie ja schon wissen.

Breitenecker: Das kann man nicht enthüllen und aufdecken, weil das Finale live ist, und zwar am 27. Februar, die Finalistinnen stehen also noch nicht einmal fest.

STANDARD: Wir hören von der Topmodel-Aufzeichnungen, dass bis hin zur Rollenverteilung das allermeiste von der Redaktion festgelegt und den Kandidatinnen vorgegeben wird. Motto: Du bist jetzt die Außenseiterin, du übernimmst diese Rolle, wenn du das nicht sagst, verliere ich meinen Job etc.

Breitenecker: Diesen Trend der Scripted Reality scheint es in Nachmittags-Dokusoaps bei RTL tatsächlich zu geben, die stehen auch dazu. Der Erfolg von Topmodel ist, dass genau das nicht passiert. Die Kandidatinnen erleben tatsächlich, was sie erleben. Bei Austria's next Topmodel sind keine Rollen vorgegeben oder gar Scripts vorhanden, die Antworten vorgeben. Daher kann ich das zu 100 Prozent ausschließen. Mit unseren bescheidenen Budgets können wir uns solche Drehbuchschreiber gar nicht leisten.

STANDARD: A propos Budget: Wie günstig kann man, können Sie denn in Österreich Fernsehen machen. Oder anders gefragt: Wenn ich auch so einen tollen TV-Kanal machen will, wieviel muss ich kalkulieren? Reicht ein einstelliger Millionenbetrag pro Jahr?

Breitenecker: Bitte um Verständnis, dass wir in der ProSiebenSat.1-Gruppe keine Zahlen zu den einzelnen Sendern bekanntgeben dürfen. Aber ein einstelliger Millionenbetrag ist es nicht.

STANDARD: Müssen Sie noch in PULS 4 einzahlen, oder bringt er womöglich schon Geld?

Breitenecker: PULS 4 hat 2010 eine schwarze Null geschrieben - operativ. Jetzt müssen die Anlaufverluste zurückverdient werden.

STANDARD: Verraten Sie uns also: Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges? - Mit PULS 4 jetzt.

Breitenecker: In Bezug auf PULS 4 ist es unser Team, das uns relativ rasch gute Reichweiten erarbeitet hat. PULS 4 hat RTL2 und Super RTL in Österreich, sowie kabel eins austria überholt.

STANDARD: In der Werbezielgruppe?

Breitenecker: Auch, bei den Zuschauern ab zwölf Jahren insgesamt. In der Werbezielgruppe ist kabel eins austria noch vorne. Diese Dynamik bringt entsprechende Umsätze. Zum Zweiten hilft uns die Einbindung in die Vier-Sender-Familie - „Café Puls" ist in die Berechnungen zum Break even einbezogen. Auch internationale Programmideen wie Austria´s next Topmodel sind uns zugänglich. Das sind die zwei wichtigsten Punkte.

STANDARD: A propos: Warum diese Niedrig-Werbepreise bei PULS 4, von denen man in der Werbebranche immer wieder hört?

Breitenecker: Da muss man zwischen Werbetarif und Tausend-Kontakt-Preis (TKP) unterscheiden. Beim TKP ist der Vorwurf der Konkurrenz leider nicht ganz unberechtigt. Das wollen wir gar nicht. Aber wir übertreffen die Reichweitenprognosen, daher wird der TKP zu gering. Wir streben aber ein ganz normales TKP-Niveau an. PULS 4 wird auf Sicht auf dem Niveau der Privatsender in Österreich liegen, eher sogar darüber hinausgehen, weil es auch terrestrisch verbreitet wird.

STANDARD: A propos: Die ORS hat gerade einen Programmplatz für regionales Antennenfernsehen für den Raum Ostösterreich vergeben. Sehen Sie dafür Chancen? Puls war in seinem früheren Leben ja auch schon ein Regionalkanal für Wien und Umgebung.

Breitenecker: Kommt darauf an, wie er sich finanzieren soll. Über nationale Werbekunden, ist ein solcher Sender nicht finanzierbar, was ich aus Erfahrung sagen kann. Wenn man andere Finanzierungsmodelle hat, ist das schwer, aber nicht auszuschließen.

STANDARD: Zurück zum Programm: Wie steht der Transferdeal zwischen PULS 4 und ORF um Doris Golpashin?

Breitenecker: Ich kann Ihnen nur einen aktuellen Stand geben, aber noch ist das nicht vereinbart. Die derzeit wahrscheinlichste Variante: Golpashin hat derzeit einen Exklusivvertrag über noch vier Monate. Wir verlängern den Vertrag auf sechs Monate, sie kann jedoch ab Mitte März auch das neue ORF eins-Magazin moderieren. Das könnte rauskommen - die Chancen stehen derzeit bei 50:50. Einigen wir uns nicht, bleibt sie die nächsten vier Monate exklusiv bei PULS 4.

STANDARD: Diese Woche experimentierte ProSieben bei „Galileo" erstmals mit Zuschauerbeteiligung über Quick-Response-Codes und Handy. Dürfen wir damit in Ihrer neuen Wissenssendung "WIFF!" rechnen?

Breitenecker: Ich wüsste jedenfalls nichts davon, danke für den Hinweis. Und danke für den Hinweis auf unser "WIFF! Österreich" ab Montag, wochentags täglich eine Stunde, immer um 17 Uhr.

STANDARD: Wir helfen, wo wir können. Dann erzählen Sie uns doch gleich sonstige Programmpläne.

Breitenecker: Wir haben 2011 einen Public-Value-Schwerpunkt. PULS 4 will möglichst viele Zuschauer mit Qualitätsprogramm erreichen. Eine unserer wichtigsten Säulen ist unsere Public-Value-Schiene mit unseren zwölf Newssendungen am Tag, unseren Wahlsendungen, unserer täglichen Diskussionssendung Talk of Town. 2011 wollen wir Reportagen und Dokus verstärken. Am Sonntag zeigen wir eine hochwertige Reportage einer ehemalige Kandidatin von Germany's Next Topmodel, die über fünf Jahre ihre Bulimie dokumentiert hat, und wie man mit dieser Krankheit fertig werden kann. Wir setzen „Österreich Undercover" mit versteckter Kamera fort, nach dem Umgang mit HIV als Nächstes über Sekten und Religionssplittergruppen. Wir starten die erste eigenproduzierte Fictionserie im Herbst und arbeiten an einem Film. Das sind so die Public-Value-Schwerpunkte. Und im Unterhaltungsbereich haben wir mehrere Dokusoaps getestet, eine wird in Serie gehen, welche das ist, kann ich noch nicht verraten.

STANDARD: Wir finden ja: Unterhaltung und Public Value dürfen kein Widerspruch sein.

Breitenecker: Sagen wir so: Es gibt auch Unterhaltung mit Public Value, das stimmt. Nur Unterhaltung gibt es ausreichend, darüber hinaus gehende Qualität ist seltener. Daher ist es auch schwieriger, es zu finanzieren. Public Value wird zum Hauptkriterium für die Frage: Wer bekommt öffentliche Beihilfen, und wer nicht - ob öffentlich-rechtlich oder privat.

STANDARD: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man - wie es ORF-Direktor Wolfgang Lorenz den Privatsendern nachsagte - "faschistoides" Programm macht?

Breitenecker: Herr Lorenz hat mir persönlich versichert, dass er PULS 4 nicht gemeint hat. Man kann immer medienethische Diskussionen führen, kommt nur darauf an, wer sie führt: Es ist sehr problematisch, wenn jemand, der derartig in einem ganz dünnen Glashaus sitzt, in seiner Verzweiflung über rückläufige Quoten mit Steinen auf die Konkurrenz mit Steinen wirft.

STANDARD: Es gibt private Medienmacher, die sagen: Das Beste, was ihnen passieren kann, wäre, dass Alexander Wrabetz als ORF-General verlängert wird.

Breitenecker: Ich habe gehört, dass dieses Jahr im ORF Wahlen stattfinden. Danach wird man sehen, ob die neue Geschäftsführung die Unterscheidbarkeit zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Programm in ihr Selbstverständnis aufnimmt.

STANDARD: Das ist bisher nicht der Fall?

Breitenecker: Das ist stark verbesserungswürdig.

STANDARD: Womit ich wieder bei der Lieblingsfrage wäre: Würde Sie der Job des ORF-Generals nicht doch interessieren?

Breitenecker: Ich freue mich sehr über die Frage, aber offen gesagt: Das interessiert mich mittlerweile schon länger nicht mehr.

STANDARD: Weil?

Breitenecker: Weil die PULS 4-Gründung mein Herzensprojekt ist. Seit wir dieses Projekt machen und vor allem jetzt, wo der Sender so gut gedeiht, ist das mein Traumjob, in der österreichischen TV-Landschaft.

STANDARD: Es gibt ja noch andere TV-Landschaften. Ihr Mutterkonzern ProSiebenSat.1 hat begonnen, Unternehmensteile zum Verkauf anzubieten, die Eigentümer des Konzerns, die Finanzinvestoren KKR und Permira, haben schon Verkaufspläne für den ganzen Konzern durchklingen lassen. Was heißt das für die Österreich-Sektion von ProSiebenSat.1. Werden Sie auch abverkauft?

Breitenecker: Ich kann natürlich nicht für den Konzern sprechen. In den letzten 14 Jahren habe ich mehrere Eigentümerwechsel erlebt, diese haben nie Auswirkungen auf Österreich gehabt. Ich gehe davon aus, dass es auch in Zukunft so sein wird.

STANDARD: Wo soll denn PULS 4 in, sagen wir, zehn Jahren stehen.

Breitenecker: Wie der Name schon sagt, sollten mittelfristig vier Prozent Marktanteil drinnen sein. Wirtschaftlich sein, gutes Programm machen, und in ein paar Jahren vier Prozent erreichen, wäre schon wunderschön.
 (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.1.2011)