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Seit zwanzig Jahren ist der Eingriff mittels Stent Routine. Im Bild: Noch nicht entfaltete Stent-Prothese (li.) und entfaltete Stent-Prothese nach Zurückziehen der Einführungsschiene (re.).

Foto: APA/AKH Wien

Verstopfte Blutgefäße mit einem Ballonkatheter aufweiten und mit einem Metallgitter (Stent) stützen: Seit 20 Jahren ist dieser Eingriff Routine. Viele glauben, Stents seien schonender als eine Operation, weil der Arzt den Katheter in lokaler Betäubung über eine Arterie in der Leiste einführt.

Zwei neue Studien widerlegen nun diese Ansicht: So harmlos sind Stents am Herz und an der Halsschlagader (Arteria carotis) nicht immer. Die eine Studie ist eine Langzeitbeobachtung von 1800 europäischen und US-amerikanischen Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen. Die Forscher präsentierten kürzlich ihre Ergebnisse auf einem EACTS-Kongress in Genf.

Die andere Studie ist eine Meta-Analyse, in der Wissenschafter aus Harvard die Daten von 7477 Patienten mit verengter Halsschlagader (Carotisstenose) aus 13 einzelnen Studien auswerten (Arch Neurol, online). "Nicht alle wollen wahrhaben, dass Stents nicht die einzige Lösung ist", sagt Wolfgang Hofmann, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. "Beide Studien zeigen, dass herkömmliche Operationen einen wichtigen Platz haben und bestimmte Patienten damit weniger Komplikationen erleiden oder seltener sterben als nach einer Stent-Einlage."

Besonders riskant scheint der Stent als Alternative zur Operation an der Halsschlagader (Carotis): In der Carotis-Studie zeigen die Harvard-Forscher, dass Patienten nach einer Stent-Einlage ein höheres Risiko als Operierte hatten, innerhalb eines Monats einen Schlaganfall zu bekommen oder zu sterben: Während es bei den Operierten ungefähr vier von 100 waren, waren es bei denen mit Stent sechs von 100. Auch nach durchschnittlich drei Jahren war das Risiko immer noch etwas höher. Außerdem verschloss sich bei dreimal mehr Stent-Patienten das Gefäß nach dem Eingriff wieder – genau das soll der Stent eigentlich verhindern.

Operationsrisiken

"Als Carotis-Stents aufkamen, haben die Hersteller das extrem positiv verbreitet", sagt Hofmann. "Jetzt haben wir aber klare Daten, dass viele eher von einer Operation profitieren." Der Eingriff sei längst nicht so groß, wie viele sich vorstellten. "Häufig brauchen wir nicht einmal eine Vollnarkose." Ein Problem der Operation bleiben allerdings Nervenverletzungen, die zu einer Lähmung von Gesichts- oder Zungenmuskeln führen können. Diese traten in der Harvard-Studie bei Operierten häufiger auf. "Die Lähmungen verschwinden aber meist nach einer Weile von selbst", verspricht Hofmann. Ein weiterer Nachteil der Operation können Herzprobleme sein: Die Operierten bekamen in der Studie etwas häufiger einen Herzinfarkt. "Um das richtig beurteilen zu können, haben wir noch zu wenige Daten." Einen Stent empfiehlt er nur in besonderen Fällen, zum Beispiel wenn ein Patient im Halsbereich operiert oder bestrahlt wurde oder zu krank für eine Operation ist.

Während die Ergebnisse bei Halsschlagader-Verengungen eher für eine Operation sprechen, kommt es beim Herz auf das Ausmaß der Erkrankung an: "Vor allem Patienten mit schwerer Krankheit profitieren von einer Operation", sagt Ardawan Rastan, Herzchirurg an der Universität Leipzig und einer der Autoren der Herz-Studie. "Waren bei einem Patienten drei Herzkranzgefäße gleichzeitig verengt oder befand sich die Engstelle in der großen linken Herzkranzarterie, bekamen Operierte seltener einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall als Patienten mit einem Stent."

Außerdem mussten weniger noch einmal behandelt werden, weil sich das Gefäß wieder verschlossen hatte. "Aber wenn nur ein oder zwei Gefäße verschlossen sind, ist der Stent wahrscheinlich nicht schlechter als die Operation." Stent und Operation seien keine konkurrierenden Verfahren.

Wichtiger als die Art des Eingriffes könnte die Erfahrung des Arztes sein: "Die Komplikationsraten für Eingriffe an der Halsschlagader schwanken zwischen verschiedenen Kliniken sowohl für die Operation als auch für Stents zwischen einem und 20 Prozent", sagt Martin Schillinger, Angiologe an der Med-Uni Wien. Das bedeutet, dass bei einem bis 20 von 100 Patienten Komplikationen durch den Eingriff auftreten, zum Beispiel Blutungen, Nervenlähmungen, Infektionen oder ein Schlaganfall.

"Studien weisen darauf hin, dass Ärzte etwa 150 Operationen oder Stent-Einlagen durchgeführt haben müssen, bis sie den Eingriff wirklich beherrschen." Hinzu kommt das individuelle Risiko des einzelnen Patienten: "Hat jemand Ablagerungen in der Halsschlagader, die sich leicht lösen, ein Blutgefäß im Hirn verschließen und einen Schlaganfall verursachen könnten, bietet sich eher ein Stent an. Denn mit dem Ballon kann man die lockere Ablagerung rasch an die Wand drücken."

Ringen um Richtlinien

Für Verengungen der Herzkranzgefäße gibt es seit längerem Entscheidungskriterien, ob Operation oder Stent. Für die Carotisstenose fehlen bislang solche Regeln. Inzwischen ist aber ein Team von Wissenschaftern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dabei, sie zu entwickeln. "Die Frage ist, ob stattdessen nicht auch Medikamente reichen", sagt Johannes Trenkler, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neuroradiologie. Klare Kriterien sind vor allem wichtig für Patienten ohne Beschwerden, bei denen Ärzte die Verengung zufällig entdecken.

Bisher kam es auf den Grad der Verengung an, "inzwischen wissen wir aber, dass dies vermutlich kein sehr verlässliches Kriterium ist, sagt Trenkler". Wichtiger könnte die Hirndurchblutung sein. "Wir vermuten, dass vor allem diejenigen operiert werden oder einen Stent bekommen sollten, bei denen das Hirn nicht mehr gut durchblutet wird. Denn dadurch haben sie ein höheres Risiko für Hirnfunktionsstörungen. Die anderen könnten mit Me-dikamenten gut auskommen." (Felicitas Witte, DER STANDARD, Printausgabe, 31.01.2011)