Der Stadtteil Reininghaus, 54 ha industrielles Brachland und Freiflächen im Grazer Westen, wurde vor wenigen Tagen von Ernst Scholdan verkauft, drei Tage bevor die Stadt selbst den Kauf im Gemeinderat beschlossen hätte. Ernst Scholdan hat offenbar mit dem Petruswerk einen Käufer gefunden, der für Reininghaus mehr als die Stadt zahlen will. Das ist sein gutes Recht. Anstatt sich über diesen Verkauf zu freuen, attackiert Scholdan die Politiker der Stadt: "Ich musste in einer Art Notwehr verkaufen" (Standard, 14. Jänner). Die Stadt habe sich jahrelang geweigert, "die Grundstücke für die bereits fixierte städtebauliche Entwicklung des Viertels zu widmen", wodurch verhindert worden sei, "dass sich Investoren engagieren."
Tatsächlich ist Ernst Scholdan bei der Entwicklung von Reininghaus an seiner fehlenden Professionalität und Erfahrung, vor allem aber an seinem Hochmut gescheitert. Er ist mit tollen Ideen nach Graz gekommen, hat vier Jahre und - nach eigenen Angaben - 12 Millionen Euro in die Vordenkarbeit gesteckt, dabei aber leider nur Luftschlösser gebaut.
Er konnte aber keine Vorstellungen entwickeln, wie er seine Träume auf die Reihe bringt. Die Mühen der Ebene haben ihn weniger interessiert.
Scholdan hat keine einzige konkrete Gesamtvorstellung von Reininghaus vorgelegt, einen Masterplan zu erstellen war ihm zu konventionell. Die Stadt durfte bei dieser Vordenkarbeit gar keine aktive Rolle übernehmen, sondern nur zuarbeiten.
Der einzige Grund, weshalb Scholdan Reininghaus verkaufen wollte oder musste, war, dass er seine Träume und Visionen einfach nicht auf den Boden brachte - außer Spesen in Millionenhöhe leider nichts gewesen.
Als bekannt wurde, dass Scholdan die Reininghausgründe verkaufen will, hat sich die Stadt als Käuferin ins Spiel gebracht, um sicherzustellen, dass der Stadtteil nicht in einen Fleckerlteppich mit zahlreichen Eigentümern zerfällt und somit eine zukunftsweisende ökologische Gesamtentwicklung gefährdet wäre. Doch wir wollten über einen bestimmten Höchstpreis nicht hinausgehen. Wenn Scholdan einen Käufer gefunden hat, der mehr bezahlen will, so war das eine uns immer bewusste und einkalkulierte Möglichkeit.
Damit ist Ernst Scholdan jedenfalls bei der Endstation seiner Vision für Reininghaus angelangt. Nach Salzburg und Graz muss er sich nun eine andere Stadt für die Verwirklichung seiner Stadtentwicklungsträume suchen. Wie er selbst anlässlich eines Pressetermins in Graz sagte, war er für Reininghaus "eine Schuhnummer zu klein" . Für Graz aber bleibt Reininghaus die reizvolle Herausforderung, einen Stadtteil des 21. Jahrhunderts nach ökologischen Prinzipien zu entwickeln. (Gerhard Rüsch, DER STANDARD; Printausgabe, 26.1.2011)