Bild nicht mehr verfügbar.

Familienidyll in St. Gilgen am Wolfgangsee: 1981 posiert Helmut Kohl während des Sommerurlaubs mit Ehefrau Hannelore sowie den Söhnen Walter (li.) und Peter im Salzkammergut für die Fotografen. Die Kohls hatten dort ein Haus.

Foto: epa/Heinz Wieseler

Es gibt Biografien über Helmut Kohl, Festschriften, TV-Filme, auch eine dreibändige Autobiografie. So vieles ist über den fast 81-jährigen Altbundeskanzler, der Deutschland von 1982 bis 1998 regierte, schon geschrieben worden. Nun aber wird das umfassende Material um ein Buch erweitert, das in Deutschland für großes Interesse sorgt.

Kein Historiker hat es verfasst, sondern Walter Kohl, der 1963 geborene Sohn des Kanzlers (Leben oder gelebt werden, Integral-Verlag). Das Magazin Focus bringt diese Woche den Vorabdruck und dieser zeigt: Hier rechnet ein tief enttäuschter Sohn mit seinem Übervater ab.

"Für meinen Vater war und ist die Politik seine eigentliche Heimat. Seine wahre Familie heißt CDU, nicht Kohl. Er fühlte sich in einem archaischen Sinne als der Clanchef eines Stammes, der sich CDU nennt", heißt es darin. Die Rollenverteilung in der Familie, in der es neben Mutter Hannelore auch noch den zweiten Sohn Peter gab, beschreibt Walter Kohl so: "Wir liefen auf seiner politischen Bühne mit, als Teil des Bühnenbildes, aber ohne tragende Rolle. Man kann auch sagen, dass man sich als Zuschauer seines Lebens gefühlt hat, denn wir sahen ihn ja fast jeden Tag im Fernsehen."

Der Sohn, der heute in Asien in der Automobilzulieferbranche tätig ist, hätte sich als Kind und Teenager einen Vater gewünscht, der mit ihm zelten geht oder Fahrrad fährt. Stattdessen musste er über seinen Vater feststellen: "Jahrzehntelang hat er sein Bestes in Partei- und Gremienarbeit investiert."

Walter Kohl wird älter, die Entfremdung in der Familie immer größer: "Jahrzehntelang habe ich auf ein ,klärendes Gespräch' mit meinem Vater gehofft. Heute weiß ich, dass wir dieses Gespräch nie führen werden. Alle meine Versuche scheiterten und endeten in einem Kreislauf aus Streit, Missverständnissen und neuem Schmerz."

2001 nimmt sich Hannelore Kohl das Leben. Sohn Walter wird telefonisch informiert - nicht vom Vater selbst, sondern von dessen Büroleiterin. 2008, als Helmut Kohl noch einmal heiratet (die 34 Jahre jüngere Maike Richter), werden die Kohl-Söhne weder vorab informiert noch eingeladen. Sie bekommen nach dem Ja-Wort nur ein kurzes Telegramm, Details erfahren sie aus der Bild-Zeitung.

Gedanken an Selbstmord

Es kommt zur finalen Auseinandersetzung, der Sohn fragt den Vater direkt, ob dieser den Bruch mit den Söhnen wolle. Dessen Antwort - laut Buch offenbar ganz im Sinne der neuen Ehefrau: "Ja."

Damals, schreibt Walter Kohl, habe ihn nur sein eigenes Kind vom Selbstmord abgehalten. Heute könne er mit der Situation besser umgehen und erklärt: "Als sein Sohn bleibe ich ihm, trotz Trennung, immer verbunden."

Doch auch der politische Kohl sorgt immer noch für Aufregung. Die Dresdner CDU will ihm ein "Einheits-Denkmal" setzen - für seine berühmte Rede am 19. Dezember 1989, als er vor den Trümmern der Frauenkirche von der deutschen Einheit sprach. Grüne und Linke laufen dagegen Sturm. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2011)