18 Wiener Zweigstellen verfügen derzeit über einen Medienbestand in Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, sowie in weiteren Fremdsprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch.

Foto: Eva Zelechowski

Beate Wegerer, zuständig für die zielgruppenspezifischen Angebote und Bibliotheksleiter Markus Feigl.

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Im Rahmen des "Vielfalter"-Projekts werden sieben Mal im Monat mehrsprachige Vorlesestunden für Kinder zwischen vier und acht Jahren abgehalten.

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Ein knallroter Automat mit Ohrstöpseln lädt im Eingangsfoyer - zwischen Lift und Leseecke - zum geräuschlosen Besuch der Bücherei ein. Lichtdurchflutete, breite Gänge mit zum Teil voll bepackten, zum Teil halb leer entlehnten Bücherregalen, die die Herzen von Bibliophilen höher schlagen lassen. So präsentiert sich die Hauptbücherei am Gürtel, wo BesucherInnen entweder per Aufzug oder nach einer gefühlten Bergbesteigung der unzähligen Treppen in 22 Meter Höhe ankommen.

Angebot den Bedürfnissen angepasst

Nach Angaben des Bibliotheksleiters Markus Feigl finden sich etwa 3.000 BesucherInnen pro Tag in der Hauptbücherei am Urban Loritz Platz ein. Gerade vor dem Hintergrund der Nähe zum 15. Wiener Gemeindebezirk mit einem hohen MigrantInnen-Anteil liegt die Vermutung nahe, dass ein Großteil der NutzerInnen tatsächlich Migrationshintergrund hat. Die Büchereien haben den Bedarf und die Notwendigkeit erkannt und ihr Angebot in den Zweigstellen den Bedürfnissen der Menschen angepasst. Insgesamt fließen etwa 80.000 Euro, davon 50.000 Euro in Medienbudget und 30.000 Euro in Veranstaltungen, aus dem jährlichen Budget in dieinterkulturellen Angebote der Büchereien Wien.
Insgesamt 18 Wiener Zweigstellen verfügen derzeit über einen Medienbestand in Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, in vielen Zweigstellen findet man englische Bücher, in einigen andere Sprachschwerpunkte wie etwa Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch und die Hauptbücherei bietet Bücher in insgesamt über 30 Sprachen an. Mit dem umfangreichen Bestand an Büchern und anderen Medien in verschiedenen Sprachen wollen die Büchereien Wien die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Stadt widerspiegeln. Vor allem Kinder erwartet ein breites Spektrum an fremdsprachigen Medien und interkulturellen Veranstaltungen.

Mehrsprachige Veranstaltungen

Unter dem Titel "Deutsch um Fünf" findet 14-tägig eine moderierte Konversationsgruppe für Menschen mit nicht-deutscher Muttersprache statt. Ergänzend zu einem Deutschkurs erhalten die TeilnehmerInnen hier die Möglichkeit das Gelernte in entspannter Atmosphäre und Konversationspraxis anzuwenden.
Ebenfalls im Angebot inkludiert sind Führungen für Menschen, die keine oder kaum Deutschkenntnisse haben. Seit Oktober 2009 fanden 35 solcher Führungen für Menschen mit insgesamt 37 Muttersprachen statt. Das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse der NeuösterreicherInnen erleichtert den Zugang zum Buch und der Institution "Bibliothek", bestätigen die Bibliothekare.

Spielerisch die Sprachenvielfalt entdecken

Ein besonderes Augenmerk wird in der interkulturellen Arbeit auf die Kleinsten gelegt. Im Rahmen des "Vielfalter"-Projekts "Mehrsprachige Geschichtenzeit auf Kirango, dem Kinderplaneten" werden sieben Mal im Monat mehrsprachige Vorlesestunden für Kinder zwischen vier und acht Jahren abgehalten. Das gemeinsame Zuhören und Erleben der Geschichten - denn Aktivitäten wie singen, spielen und zeichnen beleben den interaktiven Charakter einer Geschichte - vermittelt den Kleinen auf spielerische Weise den Reiz der Sprachenvielfalt. Auch bei fremdländischen Sprachen lauschen die TeilnehmerInnen gebannt den Geschichten und bekommen durch den bloßen Klang einer bisher unbekannten Sprache Einblicke in fremde Kulturen.

Zweisprachige Lesungen

Der derzeitige Schwerpunkt im Veranstaltungsprogramm der Büchereien Wiensetzt sich einerseits aus zweisprachigen Lesungen und andererseits aus dem Projekt OmU - der interkulturellen Bibliothek - zusammen. Im Rahmen der zweisprachigen Lesungen werden In Kooperation mit Kulturinstituten, universitären Einrichtungen, Vereinen und migrantischen Organisationen internationale AutorInnen eingeladen. Der zweisprachige Charakter lädt besonders zum Kennenlernen anderer Sprachen und landestypischer Literaturen ein.

Die OmU Veranstaltungen dürften gerade für jene reizvoll sein, die sich mit Diversität, Migration, Integrationspolitik oder auch Antirassismus beschäftigen. Dabei werden bei der Vorstellung von Büchern und Analysen bewusst die Begriffe "Original" und "Untertitel", "Muttersprache" und "Übersetzung" eingesetzt. Als zentraler Bestandteil und literarischer Schwerpunkt kommt hier der "ZARA Talk" zum Tragen, der sich antirassistischer Arbeit sowie den Themensträngen "Zivilcourage und Zivilgesellschaft" verschrieben hat. 

Beratung zur Anerkennung von Ausbildungen

Die Büchereien Wien eignen sich auch als Ort für andere bildungsnahe Angebote. Jeden Montag bietet ein Informationsstand der "Bildungsberatung Wien" Orientierung in der Bildungslandschaft sowie Tipps für die Anerkennung nicht-österreichischer Schul- und Berufsausbildungen. "Die Bildungsberatung richtet sich nicht explizit an MigrantInnen, denn die gesamte interkulturelle Bibliotheksarbeit ist nicht nur ein Angebot für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für alle, die sich für das Thema und eine neue Sprache interessieren", erklärt Beate Wegerer, seit 2008 zuständig für die zielgruppenspezifischen Angebote bei den Büchereien Wien.

Bildungs- und Berufsberaterin Roswitha Weilguni steht alle zwei Wochen am Beratungsstand zur Verfügung und erzählt, dass "viele Menschen mit Migrationshintergrund und universitären Ausbildungen aus dem Ausland bei uns um Rat fragen, da sie sich nach etlichen Beschäftigungsjahren beispielsweise als Hilfsarbeiter nach einem 'besseren' Job sehnen." Alle 14 Tage ist außerdem das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen mit dem Programm "Perspektive", einer Anerkennungs- und Weiterbildungsberatungsstelle für Asylberechtigte und ZuwanderInnen, vor Ort. Im Zuge dessen werden regelmäßig mehrsprachige Beratungen angeboten.

Türkischstämmige Mitarbeiter gesucht

Ein ganz wesentliches Manko sprechen Wegerer und Feigl bei ihrer Suche nach türkischstämmigem Personal an: "Wir suchen seit geraumer Zeit - bisher leider erfolglos - MitarbeiterInnen oder Auszubildende mit Türkisch-Kenntnissen. Von einem türkischen Kooperationspartner wurde uns gesagt, dass der Berufszweig des Bibliothekars in der Türkei einerseits zu wenig prestigeträchtig sei und bei jenen, die sich für eine Lehre entscheiden, die Wahl meist auf traditionelle Berufe wie Kfz-Mechaniker und Friseurin fällt. (Eva Zelechowski, 26. Jänner 2011, daStandard.at)