"Wir sollten nie vergessen, dass Selbstkontrolle immer besser ist als Fremdkontrolle" - Journalistengewerkschafter und Presserats-Präsident Franz C. Bauer hat sich am Mittwoch für eine Selbstverpflichtung der heimischen Presse stark gemacht. Vor allem der Blick nach Ungarn beschäftigte die Redner bei der festlichen Eröffnungsveranstaltung des neu gegründeten Österreichischen Presserates am Mittwoch in der Wiener Börse. Gewicht soll er haben, waren sich alle einig, Kommunikationswissenschafterin Irene Neverla riet dafür vor allem den Weg in die Öffentlichkeit.

Bauer verwies darauf, dass es in der Zeit nach der Implosion des alten Presserates ab 2001 immer wieder Stimmen aus der Politik gegeben habe, die die Situation bemängelt hätten. "Der nächste Schritt ist ein sehr denkbarer", so Bauer in Anspielung auf Ungarn, wo der vielkritisierten neuen Medienbehörde auch die Printmedien unterworfen sind. Bevor eine politische Kontrollinstanz geschaffen werde, sei es besser, die Selbstkontrolle walten zu lassen. "Diejenigen, die jetzt glauben, dass sie zu groß sind, um sich vor der Kontrolle vor anderen fürchten zu müssen, die könnten sich täuschen", warnte Bauer.

Mediaprint/Kurier-Manager Thomas Kralinger, der als Vizepräsident des neuen Presserates fungiert, verwies ebenfalls auf die Gefahr durch Kontrolle durch Dritte. "Jede politisch besetzte Behörde birgt auch immer die Gefahr politisch motivierter Zensur in sich." In Österreich gebe es ohnehin ein sehr eng gewebtes Netz von juristischen Vorschriften für den Medienbereich. Auch sei die Republik vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vielfach verurteilt worden.

Die Teilnahme am österreichischen Presserat sei nicht an die Mitgliedschaft einer Vereinigung gebunden, betonte Kralinger. "Jedes Printmedium kann daran teilnehmen. Ich lade alle Printmedien ein, sich dem Österreichischen Presserat anzuschließen."

Tiger und Wikileaks

Die deutsche Kommunikationswissenschafterin Neverla verwies darauf, dass ein solches Instrumentarium der freiwilligen Selbstverpflichtung oft als "zahnloser Tiger" abgetan werde, "aber auch zahnlose Tiger haben Krallen und ein Körpergewicht", womit sie Publizität und Legitimationsdruck meint. "Der Tiger kann seine Krallen über die Herstellung von Öffentlichkeit einbringen." So solle er jedes Ergebnis eines Verfahrens auf seiner Website publizieren und auch andenken, neue Vertriebswege wie Twitter oder Facebook einzubinden, "so dass vor allem junge Aktivisten für die Pressefreiheit eingebunden werden".

Der "New York Times"-Aufdecker David Barstow brach in seinem Referat eine Lanze für die Enthüllungsplattform "Wikileaks". Wie sehr diese auch mit eigenartigen Praktiken und unjournalistischen Arbeitsweisen für Beunruhigung sorge, müsse man als Journalist dennoch hinter der Plattform stehen, findet er. "Wir müssen einsehen, dass eine Attacke auf Wikileaks auch eine Attacke auf investigativen Journalismus bedeutet."

Der Verein der Chefredakteurinnen und Chefredakteure begrüßte die Tätigkeit des neuen Presserates am Mittwoch ausdrücklich. Er habe eine "breit angelegte und rechtlich verbindliche Grundlage, eine gesicherte Basisfinanzierung und eine hauptberufliche Geschäftsführung", so die Vereinigung, die den Presserat mitgegründet hat. Mitglieder der unabhängig und weisungsfrei entscheidenden Spruchsenate sowie die vermittelnden Ombudsleute seien bewährte Journalisten österreichischer Tages- und Wochenzeitungen. "Damit kann rasch, unbürokratisch und für Beschwerdeführer kostenfrei entschieden werden, ob durch eine Veröffentlichung der Ehrenkodex der Österreichischen Presse verletzt wurde."

Die Regeln und die Tätigkeit des neuen österreichischen Presserates würden nach einem Jahr evaluiert, so die Chefredakteure. Dann könne man gegebenenfalls erforderliche Anpassungen vornehmen. Ebenfalls verwiesen wurde auf die Zusicherung, mit dem neuen Presserat die mit der Börsegesetznovelle 2004 in österreichisches Recht umgesetzten EU-Richtlinien über Insider-Information, Marktmanipulation und Anlegerempfehlungen in der Finanzberichterstattung anzuwenden, was auch Bauer als "nächste Herausforderung" bezeichnete. (APA)