"Ich darf jetzt als Frau auch Karriere machen, aber keiner sagt mir wie ich das hinkriegen soll", bringt Verena Seidl-Seiboth ihre Situation als Wissenschafterin und Mutter einer 16 Monate alten Tochter auf den Punkt. Sie arbeite an internationalen Projekten und könne es sich nicht leisten, monatelang Emails nicht zu beantworten, erklärt die Biotechnikerin an der Technischen Universität Wien. "In der Karenzzeit habe ich die Abende vor dem Computer verbracht", schildert Seidl-Seiboth anlässlich der Präsentation der Broschüre "Das ABC des Kinderbüros" im Wissenschaftsministerium.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Studium sei kein Thema das nur Frauen betrifft, sondern "eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung", sagt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl am Dienstag. Die Verbesserung der Kinderbetreuung sei heute Teil der Leistungsvereinbarungen zwischen Unis und Bund.

Herausforderung für Wissenschafter

Vor mehr als zehn Jahren wurde im Wissenschaftsministerium das Projekt "Kinderbetreuung an Universitäten" eingerichtet. Seither wurden an den Unis Kinderbeauftragte ernannt, an vielen Hochschulen hat man Kinderbüros als Informationsstellen eingerichtet, Plätze in Universitätskindergärten geschaffen oder in Kooperation mit Kindergärten Krabbelstuben für Kinder von Studenten und Uni-Bediensteten organisiert.

Dass Seidl für ihre Tochter einen Platz in der Krabbelgruppe der TU Wien gefunden hat, sei aber eher ein Zufall gewesen. Sie habe "großes Glück" gehabt, einen der raren Plätze zu ergattern. Dass auch ihr Mann am Institut tätig ist, sein ein Vorteil. "Unserem Chef ist klar, dass er oft einen von uns nicht haben kann". Die Fremdbetreuung von Krabbelkindern sei vielerorts noch ein Tabuthema sagt sie, das zeige auch die Tatsache, dass sie sich vor den Kinderbetreuerinnen und Kollegen oft noch rechtfertigen muss.

Internationale Kongressbesuche, Abendveranstaltungen, viele Nachtarbeitsstunden und temporär höhere Arbeitbelastungen, etwa dann wenn die Deadline für die Einreichung eines Papers naht, sind besondere Herausforderungen, die Wissenschafter zu bewältigen haben. Diese mit der Elternschaft unter einen Hut zu bringen, ist oft doppelt schwer. 

"Omas sind wichtig"

Matthias Horn, Professor für Mikrobielle Symbiosen an der Fakultät für Lebenswissenschaften, ist Vater von zwei Kindern und hat in seiner Karenzzeit "bewusst zurückgesteckt", wie er erzählt. Von der Politik fordert er mehr Kinderbetreuungsplätze, die direkt an die Universitäten angebunden sind. Horte, also Einrichtungen, in denen Kinder nach Schule betreut werden, "fehlen weitgehend", sagt Horn.

Als Alleinerzieherin steht Marion Ramusch, Studentin und Mitarbeiterin an der Universität für Bodenkultur vor einer besonderen Herausforderung. Ihr Kind sei im Kindergarten der Boku, Abendveranstaltungen sind für sie noch tabu und "ich muss für halt sehr viel organisieren". Ohne die engagierte Großmutter wäre zudem vieles nicht möglich. "Omas sind wichtig". Auch sie sehe sich oft mit den Vorwurf konfrontiert, keine gute Mutter zu sein, weil sie ihr Kind den ganzen Tag in Betreuung gibt.

"Offen für die Kinder"

Laut der letzten Studierenden-Sozialerhebung aus dem Jahr 2009 studiert jede/r zehnte HochschülerIn mit Kind, wobei "ganz wenige ihr Studium mit einem Kind beginnen. Die Mehrheit kriegt die Kinder erst während des Studiums", erklärt Karoline Iber, Kinderbüro Universität Wien. Neben der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen sei es auch ihre Aufgabe, die Unis "sensibler und offener für Kinder zu machen". Dass es kaum Erasmus-Studierende mit Kindern gibt oder dass Strukturen für aus dem Ausland gekommene Wissenschafter mit Kindern fehlen, kritiserte Iber.

In diesem Zusammenhang wies Monika Sträußlberger von der Interuniversitären Kinderbetreuungsanlaufstelle der Universität Graz auf eine weitere "Baustelle" an den Universitäten und auch in der Gesellschaft insgesamt hin. "Die Pflege von alten Menschen ist ein absolutes Tabuthema. Mitarbeiter die solche Verpflichtungen haben, haben große Angst vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz." (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 25. Jänner 2011)