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Auch das gibt es im Westjordanland: Ein israelischer Friedensaktivist hilft einem palästinensischen Bauern in Mughayir beim Pflanzen von Ölbäumen. Der Hain wurde nach palästinensischen Angaben von jüdischen Siedlern im Vorjahr zerstört.

Foto: Reuters/Zvulun

 

Veröffentlichungen des arabischen TV-Senders Al-Jazeera über die Bereitschaft palästinensischer Unterhändler zu Zugeständnissen an Israel haben die Palästinenserführung in Verlegenheit gebracht, obwohl die Positionen in den Grundzügen schon zuvor bekannt waren. Insbesondere die von den palästinensischen Vertretern akzeptierte Angliederung von Teilen Ostjerusalems an Israel steht im Widerspruch zu Äußerungen von Präsident Mahmud Abbas, der offiziell ganz Ostjerusalem als zukünftige Hauptstadt des angestrebten Palästinenserstaats betrachtet.

Der jüngste Verhandlungsanlauf war daran gescheitert, dass Abbas einen Ausbaustopp auch in den von Juden bewohnten Teilen Ostjerusalems gefordert hatte, was alle israelischen Regierungen seit dem Beginn des Oslo-Prozesses 1993 immer abgelehnt haben. Abbas, den die "Enthüllungen" bei einem Besuch in Kairo ereilt haben, hat die Angaben dementiert und sie als "Fabrikationen" bezeichnet. Gerätselt wurde darüber, wer die Zitate weitergegeben habe, die Abbas beinahe wie einen Verräter an der palästinensischen Sache aussehen lassen. Hintergrund könnte ein Racheakt eines entlassenen Mitarbeiters des Verhandlungsteams sein.

Im Juni 2008 soll etwa Expremier Ahmed Kurea bei einer Sitzung mit Israelis und Amerikanern angeboten haben, dass Israel "alle Siedlungen in Jerusalem" mit Ausnahme des umstrittenen Areals Har Homa annektiert: "Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir so einen Vorschlag machen" , habe Kurea gesagt.

Gemeinsame Verwaltung

Aus den rund 1600 Dokumenten soll auch hervorgehen, dass die Palästinenser bereit waren, die auf der arabischen Seite der Linie von 1967 liegende Altstadt von Jerusalem zu teilen, wobei das Jüdische Viertel und Teile das Armenischen Viertels bei Israel bleiben sollten. Der Juden und Muslimen heilige Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee sollte den Vorschlägen zufolge von einem gemeinsamen Komitee verwaltet werden. Auch in der heiklen Flüchtlingsfrage sei ein Kompromiss angeboten worden: Über zehn Jahre hätten demnach jährlich 10.000 palästinensische Flüchtlinge in den Staat Israel zurückkehren dürfen. Aus palästinensischer Sicht wäre das ein Abgang von der Forderung nach dem Rückkehrrecht für alle Flüchtlinge, aus israelischer Sicht wäre aber die Gesamtzahl von 100.000 Rückkehrern viel zu hoch.

Die Dokumente beziehen sich vor allem auf 2006 bis 2008. Von November 2007 bis September 2008 wurde offiziell im Rahmen des Annapolis-Prozesses verhandelt.

Es gilt als allgemein bekannt, dass die Gespräche auf der Basis der Clinton-Vorschläge geführt wurden, die schon seit den CampDavid-Verhandlungen im Sommer 2000 als Leitlinie dienen. Demnach sollen Gebiete, die von Palästinensern bewohnt werden, den palästinensischen Staat bilden, während Gebiete, die von Juden bewohnt werden, zu Israel gehören sollen, mit Ausnahme entlegener Siedlungen. Die Gespräche kamen wegen äußerer Faktoren zum Stillstand: Israels damaliger Premier Ehud Olmert musste wegen einer Korruptionsaffäre zurücktreten, in den USA wurde gewählt, und im Gazastreifen brach ein Krieg zwischen Israel und der Hamas aus.

Einer Unterschrift nahe

Olmert-Berater Janki Galanti bestätigte nun in einem Radio-Interview frühere Angaben seines Chefs, wonach es in den Kernfragen eine prinzipielle Einigung gegeben habe und man einer Unterschrift nahe gewesen sei. Olmert habe einer "umfassenden Lösung" samt Teilung Jerusalems zugestimmt. Israel habe sogar Landkarten vorgelegt, wonach die Palästinenser 93,5 Prozent des Westjordanlands bekommen hätten und der Rest durch einen Landtausch abgeglichen worden wäre - Abbas habe aber keine Antwort gegeben.

Weil man trotz dieser "gewaltigen Zugeständnisse" Israels gescheitert ist, sieht der rechtsgerichtete israelische Außenminister Avigdor Lieberman seine Ansicht bestätigt, wonach die Verhandlungen mit ihren jetzigen Vorgaben aussichtslos seien. Er arbeitet an einem Plan für eine Interimslösung mit einem Palästinenserstaat "in provisorischen Grenzen" , vermutlich zunächst auf rund 40 Prozent des Westjordanlands. Die Palästinenser wollen von einer Interimslösung aber nichts wissen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2011)