Schnee und Eis überzogen das Land. Eine ungewöhnliche Kälteperiode war hereingebrochen. Die Menschen zogen sich dick an. Autos außerhalb der Garagen wurden mit einer dicken Schneedecke überzogen. Schneepflüge kämpften sich durch die Straßen, natürlich wurde die zuständige Magistratsabteilung vom Schneefall wieder einmal völlig überrascht. Es war nicht gestreut, offenbar war auch das Salz knapp, die Schaufler streikten, und beim Jaguar-Zentrum in Wien wartete ein Auto auf uns: der neue XJ, Diesel, drei Liter, sechs Zylinder, fein, fein und fein. Allerdings war es arschkalt.

Foto: Christian Fischer

Es war eine etwas skurrile Szene: Ein junger Mann, Mitarbeiter des Autohauses, stand in dünnen Halbschuhen im Schnee und versuchte mit einem lächerlichen Schauferl, den Jaguar aus der Schneewechte, die sich über Nacht gebildet hatte, freizulegen. Beiläufig hatte er ins Gespräch eingeflochten, dass für den Jaguar vorübergehend gerade keine Winterreifen verfügbar wären. Und jetzt tat er so, als wäre das weiter kein Thema, als gäbe es eigentlich eh keinen Schnee. Als er das Auto freigeschaufelt hatte, wünschte er gute Fahrt.

Foto: Christian Fischer

Wir trugen den XJ sehr vorsichtig in unsere Garage unter dem Standard, dort besuchten wir ihn täglich, strichen ihm sanft über die Motorhaube, setzten uns hin_ein, erfreuten uns an Leder, Holz und der Sitzheizung, schürzten die Lippen und bliesen ein zärtliches „Brummbrumm" mit einem Hauch von Dieselgurren heraus.
Es schneite die folgenden Tage. Und schneite.

Foto: Christian Fischer

Wir fuhren brav mit der U-Bahn, schlitterten über Eisplatten, kletterten über Schneewechten und versauten uns die Schuhe. Den Jaguar besuchten wir in der Garage. Immerhin war er sauber.
Es schneite.

Foto: Christian Fischer

Uns blieb Zeit und Muße, über den XJ zu sinnieren. Unmittelbar nach der Präsentation des neuen Modells stand die Wehmut des Abschieds noch im Raum, die Melancholie. Der alte XJ, der sich über Jahrzehnte in der Formensprache so treu geblieben war, musste weichen. Das hieß Abschied von der leichtfüßigen Eleganz. Jetzt ist die Formensprache dezidierter geworden, der XJ ist wuchtig und kräftig, geht von der Masse in Richtung Bentley.

Foto: Christian Fischer

Das sind die neuen Zeiten. Und wie er so da stand in der Garage, bewegt nur für den Fotografen, gefiel uns der XJ immer besser. Flüssig in der Form, nicht zierlich, aber doch noch elegant, vielleicht mehr auf der sportlichen als auf der vornehmen Seite zu Hause. Und innen sowieso: Komfort, nicht angestrengt, sehr entspannt.

Foto: Christian Fischer

Und als der Tag der vereinbarten Rückgabe näherrückte, klarte der Himmel auf, die Sonne gewann an Kraft, die Eisschollen brachen, von den Dächern in der Innenstadt schossen Sturzbäche an Schmelzwasser herab, hie und da war auch wieder der Asphalt der Straßen zu sehen. Wir trugen den XJ zurück, und der Mitarbeiter des Autohauses hatte uns einen Parkplatz saubergekehrt. (Michael Völker/DER STANDARD/Automobil/21.1.2011)

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