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Der Jubilar Rudolf Nimmerrichter, bekannt als Kolumnist 'Staberl' im Rahmen der Feier anlässlich seines 90. Geburtstages in Deutsch-Wagram.

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Renate Götz, Hansee Orsolics, Boko Botowamungo und Anna Pfabl anlässlich Orsolics' Buchpräsentation

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Andy Lee Lang feierte 25-jähriges Bühnenjubiläum im Marchfelderhof. Im Bild v. li.: Ulli Bäer, Edith Leyrer, Gary Lux, Andy Lee Lang, Magic Christian und Domino Blue

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Elvis-Birthday-Party im Marchfelderhof: Marchfelderhof-Wirt Gerhard Bocek, Jeannine Schiller und "Cowboyman" Wolf Hahn & Band

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Zuletzt feierte Richard Nimmerrichter im Marchfelderhof Geburtstag - Es ist davon auszugehen, dass er dafür keinen Cent zahlte - Er ist damit in allerbester Gesellschaft

Gerade einmal eine Dreiviertelstunde, gestand der Kollege aus der Medienredaktion, habe er es vergangene Woche bei und auf Staberls Geburtstagsfest ausgehalten. Mehr sei weder zumutbar noch notwendig gewesen: Wie der STANDARD berichtete, hatte der greise Richard Nimmerrichter seinen 90. Geburtstag gefeiert - und zwar im Marchfelderhof. Also jenem Lokal am Rande von Wien, das vermutlich öfter in den Medien präsent ist, als viele Haubenlokale Österreichs zusammen - und das, ohne dass je auch nur ein Wort über die Küche dieser Hütte verloren würde.

Staberl, las man dann auch aus dem Geburtstagsartikel auf derStandard.at heraus, war nicht von sich aus nach Deutsch-Wagram gegangen, um Freunde und Getreue zum Feiern zu holen: Der Marchfelderhof hatte Nimmerrichter eingeladen - und der hatte (wenn Marchfelderhof Wirt Gerhard Bocek nicht all seine PR-Prinzipien über Bord geworfen hat) für "sein" Fest keinen Cent bezahlen müssen. Und trotzdem jubelte der Wirt.

Präsentationsplattform

Das hat einen Grund. Denn gäbe es Lauda & Lugner nicht, um das Prinzip der lukrativen Eigenvermarktung qua Seitenblickemedien zu belegen, wäre der Marchfelderhof und sein Prosperieren auch ein guter Beweis dafür, dass diese Methode funktioniert. Freilich: Wie sehr da welches Medium und welche Geschichte wie genau den Zustrom der Massen steuert, weiß nicht einmal Gerhard Bocek selbst zu sagen. Nicht mehr: Da das Lokal ständig irgendwo - von Bezirks- und Branchenblätter bis zu nationalen TV-Sendern - präsent sei, erklärte mir Bocek einmal, ließe sich das nicht mehr festmachen.

Doch an den Anfang dieses Rummels, sagte der Wirt, könne er sich noch gut erinnern - auch wenn er das Jahr ad hoc nicht mehr festmachen könne: Es sei ein Montag gewesen, erzählte Bocek, der traditionell schwächste Tag im Lokal. Statt der 300 möglichen Plätze sei da - damals - nur für 150 Gäste eingedeckt worden. Auch das Personal sei nicht in voller Stärke da gewesen - und er, der Chef, habe einen freien Abend gehabt, als ein Anruf gekommen sei: Chef wir brauchen Hilfe - die Hütte ist brechend voll. Der Grund war rasch ausgemacht: Am Abend zuvor war der Marchfelderhof das erste Mal in den "Seitenblicken" vorgekommen.

Kochtopf und Trommel

Seither, weiß Bocek: Einen Kochtopf kann man entweder zur Herstellung von Speisen verwenden - oder man dreht ihn um und macht Lärm. Meist ist zweiteres effizienter. Auch Gerhard Bocek stand irgendwann vor der Entscheidung, sich entweder nach oben oder in die Breite zu orientieren. Und dass er bei Wiener-, Schnitzel- und Hausmannskost blieb, sagt er, habe er nie bereut: Den Durchlauf, den der Marchfelderhof heute hat, hätte er mit Haubenküche nie erreicht. Bocek: "Haubenküche ist extrem teuer und aufwändig. Man ist den Testern ausgeliefert. Die Leute haben Schwellenangst - und das Lokal gilt sofort als teuer."

Stattdessen setzt Bocek konsequent auf Öffentlichkeitsarbeit der anderen Art: Schon vor der digitalen Bilderrevolution und der Verfügbarkeit von E-Mail in jeder kleinen Redaktionsstube, hatte Bocek einen Hausfotografen, der jeden, der auch nur den leisesten Verdacht erweckte, mehr Menschen als der eigenen Mutter ein Begriff zu sein, (des Gastes Einverständnis vorausgesetzt) "abschoss". Und zwar in möglichst vielen Kopf-Kombinationen.

Verlässlicher Lieferant

Die Bilder wurden über Nacht entwickelt und mit einer kleinen, druckfertigen Geschichte von zwei Mitarbeitern des Marchfelderhofes in der Früh oder am nächsten Vormittag ausgeliefert. Bocek machte seine Hausaufgaben gut - und wusste sehr rasch, wann welche Zeitung Redaktionskonferenz hatte. Seine Bilder und Geschichtlein waren immer rechtzeitig da. So dass auch der faulste Gesellschaftsredakteur nie mit leeren Händen vor seinen Ressortchef treten musste. So etwas vergessen Journalisten nicht so rasch. Doch auch darüber hinaus war Bocek ein guter und verlässlicher Lieferant: Er bedrängte niemanden, war nicht beleidigt, wenn länger nichts geschrieben wurde - und hatte auf Nachfrage immer noch ein oder zwei Geschichtchen in der Hinterhand: So wurde der Marchfelderhof zu einer verlässlichen, nie versiegenden Quelle.

Umgekehrt fühlten sich auch die halb- bis viertelbekannten Gäste gut bedient: Wer diskret schmausen wollte, hatte seine Ruhe - wer aber mit dem Innungsmeister des Klobürstenherstellerverbandes Niederösterreich-Südwest speiste und dies dem Wirt sagte, wusste, dass sein Bild schon am nächsten Tag in der regionalen Klobürstenherstellerverbandszeitung aufliegen würde. Und bei den dortigen Lokalblättern. Für die Zeitungen honorarfrei, versteht sich. Eine Win-Win-Geschichte.

Digital ist besser

Mitte der 90er-Jahre kam dann die Digitalisierung der Fotographie und E-Mail. Außerdem entdeckten immer mehr Medien - Radio, Print und TV - dass Gesellschaftsgeschichten beim Publikum (und zwar bei jeder Schicht) ankamen: Plötzlich gab es viel mehr Platz für Adabei-Berichte. Nur hatte sich blöderweise weder die Zahl der relevanten Personen noch die der Events im gleichen Ausmaß vervielfacht. Im Gegenteil: Viele "gute" Leute winkten angesichts der immer intensiver und massiver auftretenden Gesellschaftsreporter (wobei Ösien da ohnehin und bis heute noch eine Insel der Seligen ist) immer öfter ab. Bloß: Dichand, Fellner & Co interessierte das nicht: Es gab Platz, es gab Sendezeit - also mussten Köpfe und Geschichten her.

Für den Marchfelderhof war das wie ein Sechser im Lotto. Mit Zusatzzahl: Bocek war omnipräsent - und musste seine Lehrbuben dafür nicht einmal mehr in die Dunkelkammer oder auf Botenfahrten schicken: Vor den Mails des Marchfelderhofes gab es für Journalisten kein Entkommen. (Ok: man konnte sie abbestellen. Theoretisch.) Und auch, wenn man sich über die "Marchfelderhofpromis" (also jene sonst nirgendwo gefeaturten Dauergäste auf Boceks Bildern und Aussendungen - etwa ein paar Habsburg-Nebenfiguren, ein Napoleon-Nachfahre oder diverse Alt-Schauspieler und -Politiker) in der Branche gern das Maul zerriss, halbprivate "Worst of"-Bildersammlungen anlegte, Freunde mit weitergeleiteten Mädchen-aus-der-Torte-Pics (immer das gleiche Mädchen aus immer der gleichen Torte mit beinahe immer den gleichen Gästen - über Jahre hinweg) unterhielt/quälte, griff dann doch jeder Redakteur hin und wieder gern auf den Marchfelderhof-Fundus zurück: In der Not ...

"Der Bocek lädt ein"

Doch Bocek hatte noch ein Stückchen weiter gedacht. Aber ohne das groß zu verkünden. Niemand fragte je - und auch ich kam nur zufällig drauf. Obwohl es eigentlich logisch war: Irgendwann Ende der 90er Jahre - oder vielleicht war es auch schon im neuen Jahrtausend - fand das alljährliche Ergebnisverkündungsfest des Life Balles im Marchfelderhof statt. Im Marchfelderhof? Als ich Gery Keszler nach dem Grund dafür fragte, zuckte der mit den Achseln. Man müsse das ganz pragmatisch sehen: Wenn er das Einspielergebnis des Balles gut transportiert wissen wolle, so der Erfinder der großen Aids-Charity, müsse er dazu die komplette Journaille einladen. Und Aufputz-Promis. Und Sponsoren. Und Mitarbeiter. Summa summarum käme er da auf rund 200 Personen: "Wenn wir das zahlen, fehlt das bei den Hilfsgeldern. Und der Bocek lädt uns ein."

Mittlerweile kann sich der Life Ball aussuchen, wo was wie präsentiert wird - aber Gerhard Bocek war eben da, als es noch nicht ganz so war. Nicht bloß aus Charitygründen: Prominente ihre Feste immer wieder auf Kosten des Hauses feiern zu lassen, ist mitnichten nur eine sympathische Marotte des Wirtes - sondern eine gut durchkalkulierte PR-Maßnahme. Zumindest war sie das, als ich vor ein paar Jahren das letzte Mal länger mit Gerhard Bocek plauderte: "So ein Fest für eine Handvoll Seitenblicke-Leute kostet mich natürlich etwas - aber wenn ich die Wahl habe, das Geld für ein achtelseitiges Inserat in einer regionalen Bezirkszeitung auszugeben, oder für die Bewirtung der Gäste beim Geburtstag der Frau Schiller, ist meine Entscheidung in dem Augenblick richtig, wo das erste TV-Team vor der Tür steht." (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 24.1.2011)

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