Der berühmte Pokal mit Einschussloch.

Foto: Hafer

Die Wohnung des Wundertrainers muss nun also doch geräumt werden.

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Wien - Wolfgang Hafer, Enkel von Hugo Meisl und studierter Historiker, ist fassungslos. "Da bekommt die Stadt Wien kostenlos die komplett eingerichtete Originalwohnung einer der größten österreichischen Sportlerpersönlichkeiten auf dem Präsentierteller angeboten. Aber sie greift einfach nicht zu."

Wie der Standard berichtete, hatten sich die Nachfahren des legendären Fußball-Trainers um den Erhalt von Meisls ehemaliger Vier-Zimmer-Wohnung im Karl-Marx-Hof in Döbling als Gedenkmuseum bemüht. Die rund 100 Quadratmeter große Residenz im Gemeindebau ist nach Meisls Auszug 1934 bis heute nahezu im Originalzustand verblieben.

Für das authentische Flair aus der Zwischenkriegszeit im Roten Wien sorgt ein elfteiliges Ensemble aus Art-déco-Möbeln aus den 1920er-Jahren. Auch der Schreibtisch, auf dem Meisl über Aufstellungen des sogenannten Wunderteams brütete, steht noch dort, wo er immer stand. Zahlreiche Pokale erzählen zudem Erfolgsgeschichten des einst weltbesten Nationalteams, das etwa Deutschland Anfang der 1930er-Jahre in zwei Spielen mit 11:0 demütigte. Eine andere Geschichte erzählt zum Beispiel ein Pokal, der in den Wirren des österreichischen Bürgerkriegs im Februar 1934 in der Wohnung im Karl-Marx-Hof stehend angeschossen wurde. Er sollte eigentlich an einen 8:1-Sieg gegen die Schweiz erinnern.

Bis September 2009 hatte Meisls 90-jährige Tochter Martha hier gewohnt. Nach ihrem krankheitsbedingten Auszug wurde die Wohnung aber an Wiener Wohnen rückgeführt. Im September 2010 erfuhr Meisls Enkel Wolfgang Hafer vom Wunsch von Wiener Wohnen, die Wohnung räumen zu lassen.

Und das trotz prominenter Fürsprecher wie Bundespräsident Heinz Fischer, der zuvor schon in einem Brief an Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) bat, "die Errichtung einer Erinnerungsstätte zu prüfen". Außerdem ergab eine Begehung des Bundesdenkmalamtes, dass die Ausstattung der Wohnung "aufgrund ihrer geschichtlichen, kulturellen und teilweise künstlerischen Bedeutung denkmalwürdig" sei.

"Bemerkenswert"

"Jedes Stück für sich genommen ist eigentlich nichts Besonderes", sagte Oliver Schreiber vom Bundesdenkmalamt am Freitag zum Standard. "Aber die Summe macht's aus. Es ist bemerkenswert, dass es so etwas noch gibt."

Im November 2010 beauftragte Wohnbaustadtrat Ludwig das Wien Museum mit einer Einschätzung, ob ein musealer Gedenkraum umsetzbar ist. Vor einer Woche erfuhr Wolfgang Hafer das Ergebnis: "Die Expertise hat ergeben, dass die gegenständliche Wohnung atypisch für den historischen Wiener Gemeindebau ist."

Eine Nutzung der Wohnung als Museum wird als "nicht geeignet eingeschätzt". Die Gründe: Zu hohe Kosten, außerdem würden die Gegenstände überwiegend "aus der Zeit nach dem Auszug von Hugo Meisl stammen". Was freilich im Gegensatz zur Ansicht des Bundesdenkmalamtes steht. "Zu 75 Prozent", hieß es in dessen Expertise, sei die Wohnung so ausgestattet, wie "Hugo Meisl sie von 1930 bis 1934 bewohnte".

Die endgültige Räumung der Wohnung wurde mit 31. März 2011 angesetzt. Hafer will weiter um den Nachlass seines Großvaters kämpfen. Notfalls will er eine Stiftung gründen, die die Wohnung übernehmen könnte.

Der österreichische Fußballbund (ÖFB) hat inzwischen angekündigt, "alles dazu beizutragen, dass schützenswerte Teile der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden". Auch das Wien Museum will wertvolle Objekte des Nachlasses übernehmen - wenn möglich gratis. "Eine Garantie, die Dinge dann tatsächlich auszustellen, habe ich bislang aber nicht bekommen", sagt Hafer. Seine Sorgen sind nicht ganz unbegründet: Im Depot lagern eine Million Objekte, das Wien Museum stellt zurzeit gerade einmal 2500 Exponate aus. (David Krutzler, DER STANDARD; Printausgabe, 22./23.1.2011)

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