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Die Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter widmet sich ab Donnerstag im Theater an der Wien der französischen Barockoper.

Foto: Archiv

Wien - Das Treffen gilt zwar eigentlich der Premiere von Jean-Philippe Rameaus Castor et Pollux im Theater an der Wien am 20. Jänner, doch schon bevor der Kaffee auf dem Tisch steht, ist klar, dass Anne Sofie von Otter zumindest ebenso gern über Björk, Kurt Weill oder Richard Wagner plaudert.

Die schwedische Mezzosopranistin besitzt denn auch nicht nur eine der großen Klassikstimmen zwischen Bach und 20. Jahrhundert, sie ist auch eine Polystilistin hinsichtlich Repertoire und Stimmgebung. Davon zeugen etwa die Zusammenarbeit mit Elvis Costello, ihre Interpretationen von Abba-Songs oder die Liederabende, in denen sie Klassik und Pop mischt. Zuletzt gab sie mit Thomas Quasthoff ein Konzert, in dem zuerst Gluck und Mozart auf dem Programm standen, bevor dann die zweite Konzerthälfte mit Big Band gesungen wurde.

Im Gespräch mit dem Standard gibt sie folglich eine überraschende Antwort, was denn für sie die intimste Form des Singens sei: Statt Lied oder Alte Musik - zwei ihrer Domänen - nennt sie nämlich etwas ganz anderes. Am intimsten sei es "mit Mikrofon, weil man so leise singen kann wie sonst nie und in einer so tiefen Lage wie beim Sprechen. Das tue ich sehr gern, und ich würde es noch öfter machen, hätte ich dazu Gelegenheit."

Natürlich: "Ein Lied von Schubert kann sehr intim sein, aber es kann stimmlich nie jene Qualität haben, die sich durch ein gutes Mikrofon mit guter Sound-Übertragung ergibt. Damit zu singen ist etwas ganz anderes - so, als würde man im Ohr von jemandem sitzen. Wenn man in einer bequemen Lage mit Mikrofon singt, kann man den Menschen in einer anderen Weise hören als bei einem Liederabend oder in der Oper. Ich will aber nicht sagen, dass das eine besser als das andere ist. Es hat beides seinen Reiz."

Keine wirkliche Jazzsängerin

Dass sich die Stimme bei ihren Ausflügen in andere Stilrichtungen grundlegend anders anhört, verneint sie: "Ich bilde mir nicht ein, dass ich wirklich Jazz- oder Rock-Sängerin bin, und singe deswegen immer mit meiner Stimme. Sie bleibt beim Pop ungefähr so, wie sie ist. Man hört, dass ich es bin." Und so setzt Otter letztlich doch wieder eine Priorität. Sie möchte zwar nicht auf das popularmusikalische Repertoire verzichten, aber: "Noch unglücklicher wäre ich ohne Klassik, ohne Mahler, Berlioz, Bach oder Rameau - es ist ein Glücksgefühl, diese Musik singen zu dürfen."

Stichwort Rameau, dem die Mezzosopranistin gerade auch auf einer CD mit französischen Arien mit Begleitung von Les Arts Florissants und William Christie gehuldigt hat: "Er ist seit langem ein Lieblingskomponist, aber auf der Bühne singe ich ihn nun in Wien zum ersten Mal. Ich hatte ihn schon früh gehört mit Nikolaus Harnoncourt und John Eliot Gardiner. Es ist ein besonderer französischer Stil und mit italienischer oder deutscher Barockmusik überhaupt nicht zu vergleichen. Händel, Bach und Vivaldi haben alle eine fantastische Stimmführung und Harmonik, aber Jean-Philippe Rameau ist tänzerischer und sehr elegant."

Überhaupt hat Otter eine große Affinität zum Französischen: "Jene Oper, bei der ich das absolut natürlichste Gefühl hatte, weil sie ideal von der Stimmlage war und ich meine Stimme zu nichts zwingen musste, war Debussys Pelléas et Mélisande, die ich leider nur ein einziges Mal gemacht habe. Das war eine Rolle, bei der die Menschen vielleicht gedacht haben, ich sei zu groß und passe da als Person nicht hinein."

In der Oper ist für Otter in den letzten Jahren noch ein anderer Großmeister hinzugekommen - Richard Wagner: "Das war eine große Herausforderung, aber es ist gutgegangen. Diese Welt von Wagner, die ich vorher kaum kannte, in die wird man wirklich hineingezogen. Und wie er für die Stimmen geschrieben hat, ist wirklich großartig." (Daniel Ender/DER STANDARD, Printausgabe, 19. 1. 2011)