Für die Kaffeekonditorei Central gibt es noch keine Nachmieter.

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Wo bis zum Jahresende edle Schokolade verkauft wurde, gibt es demnächst Suppen, Salate und Burritos.

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Wien - Die kanadische Restaurantkette Freshii übt die Expansion in Österreich. Ab dem Frühjahr sind ihre Salate, Suppen und Burritos in der Wiener Innenstadt zu haben - statt Süßem. Der Schokoladespezialist Schokov zog aus der Herrengasse aus und ermöglicht Freshii damit ihre vierte Filiale, 15 sollen es insgesamt in Wien werden. Thomas Kovazh, der Inhaber von Schokov, will sich lieber auf seine zwei bestehenden Shops am Spittelberg und in Gersthof konzentrieren.

Der Standort Herrengasse ist trotz zentraler Innenstadt-Lage ein hartes Pflaster. Nur einen Sprung von der Hofburg und der goldenen Einkaufsmeile Kohlmarkt entfernt, bricht der Passantenstrom hier abrupt ab. Geschäftsflächen stehen häufig länger als ein Jahr leer. Derzeit warten jene der früheren Kaffeekonditorei Central auf Mieter. Verwaiste Geschäfte prägen auch das Bild der Nobelpassage im Palais Ferstl, die die Herrengasse mit der Freyung verbindet.

Überzogene Preis-Wünsche

Von überzogenen Mietpreisvorstellungen der Eigentümer ist die Rede und von Problemen mit dem Denkmalschutz. Vor allem jedoch davon, dass es abseits der Glitzerwelt des Kohlmarkts, Grabens und der Kärntner Straße zunehmend an Kundenfrequenz krankt.

Die Achse zwischen Schwedenplatz und Karlsplatz ziehe die gesamte Einkaufsdynamik an sich - selbst in der betriebsamen Innenstadt bleibe da für Nebenlagen nur wenig über, ist Gerhard Hatz überzeugt. Der Professor für Geografie und Regionalforschung an der Uni Wien hat die Handelsstrukturen der City seit 1996 untersucht. Der Anteil an Leerständen sei bis 2009 von drei auf sieben Prozent gestiegen, zeigt seine Studie. Im früheren Textilviertel rund um die Ruprechtskirche stünden fast 25 Prozent der Flächen leer.

Bunte Gastronomiekonzepte

Mode, Schmuck und Kosmetik ziehen ein, wo alteingesessene Betriebe weichen. Anders als Buchhändler oder Plattenläden können sie sich die neuen Mietkonditionen leisten. Und statt kleiner Nahversorger aller Branchen machen sich bunte Gastronomiekonzepte breit.

Hatz schätzt das Preisniveau in Lagen wie der Herrengasse als viel zu hoch ein. Es werde auf das Prinzip Hoffnung gesetzt, sagt er, und es rechne sich offenbar, dafür längere Leerstände in Kauf zu nehmen. Der Quadratmeter kostet Händler dort zwischen 40 und 80 Euro monatlich. Je näher beim Michaelerplatz, desto teurer - verglichen mit dem Kohlmarkt, auf dem für Spitzenlagen nach wie vor bis zu 350 Euro je Quadratmeter und Monat zu berappen sind, jedoch immer noch relativ günstig.

Keine 1-A-Lage

Händler zahlen nur dann hohe Mieten, wenn die Frequenz und das Umfeld passen, sagt Stefan Goigitzer. Etliche Plätze der Innenstadt entwickelten sich derzeit gut, für die Herrengasse mit ihren Ministerien sei es schwer, mitzuhalten, meint der Experte für Handelsimmobilien des Maklers Colliers Columbus. Eine 1-A-Lage sei sie nicht, die Herrengasse, aber er sei zufrieden, sagt Karl Hintermayer, der dort seit gut zehn Jahren mit einer seiner Buchhandlungs-Filialen vertreten ist. Bessere Gegenden ums Eck seien für Branchen wie die seine aber nicht leistbar.

Auch in der Rotenturmstraße seien die Preise stark gestiegen, erzählen andere Händler. Auf der Tuchlauben und am Fleischmarkt drückten die Vermieter sie ebenso nach oben, ein Konzept, das dort bisher aber nicht aufgegangen sei.

Nebenlagen müssten sich, um nicht völlig den Anschluss zu verlieren, auf Nischen spezialisieren, etwa zur Kunstmeile werden oder zum Antiquitätenviertel - ein Kontrapunkt sei gefragt, sagt Gerhard Hatz. Es bestehe aber auch die Gefahr der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. "Durchgestyltes Ambiente, die immergleichen Ketten. Lokales Flair geht da verloren." (Verena Kainrath, DER STANDARD-Printausgabe, 18.1.2011)