José Manuel Barroso scheint ein Pechvogel zu sein. Was immer der Präsident der EU-Kommission politisch angreift, geht in der öffentlichen Umsetzung schief. Noch viel häufiger jedoch muss Barroso sich den Vorwurf gefallen lassen, allzu oft untätig zu sein. Vor lauter Hinsichtl und Rücksichtl auf die Interessen der scheinbar allmächtigen Staats- und Regierungschefs, denen er seine Wiederwahl verdankt, schafft er es nicht, dringend nötige europäische Initiativen zu ergreifen, geistig anzuführen.

Am deutlichsten zeigte sich das in den vergangenen acht Monaten in der Euro- bzw. Schuldenkrise einzelner Staaten der Währungsunion. Seit Griechenland im Mai 2010 mit Milliardenhilfen der Partner den Märkten von der Klinge gesprungen ist, hat der Bürger vom Kommissionspräsidenten kaum etwas wahrgenommen. Ungleich stärker setzten sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Szene - bei einer Frage, die über Sein oder Nichtsein der Union entscheidet.

Vor ein paar Tagen hat Barroso nun seine Strategie geändert: auf offensiv. Er schlug ein Bündel von - insgesamt sehr sinnvollen - Maßnahmen vor, die den Eurokrisenmechanismus und die Union für die Zukunft wappnen soll. Und wieder passt's nicht. Nun ist Merkel auf ihn sauer, heißt es in Berlin. Das Ganze war offenbar schlecht abgestimmt. Dabei hat Barroso in der Sache recht: Nur eine Stärkung der EU macht Europa stärker, nicht eine Schwächung. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.01.2011)