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Die Polizei löst in Tunis eine Demonstration mit Tränengas auf.

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Auch Wasserwerfer sind im Einsatz.

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Interimspräsident Foued Mbazaa vor dem Ministerium.

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Portäts von Ben Ali werden aus den Regierungsgebäuden in Tunis entfernt.

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In Tunesien wurden am Montagnachmittag die letzten Details einer Übergangsregierung abgestimmt. Ministerpräsident bleibt Mohammed Ghannouchi, der bereits unter dem am Freitag gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali gedient hat. Auch die Chefs der Ressorts Äußeres, Inneres, Verteidigung und Finanzen sollen im Amt bleiben. Die drei wichtigsten Oppositionsparteien sind mit jeweils einem Minister vertreten.

Der Anwalt Nejib Chebbi, Chef der Fortschrittlich Demokratischen Partei (PDP), wird als Minister für wirtschaftliche Entwicklung gehandelt. Der Vorsitzende des Demokratischen Forums für Freiheit und Arbeit, Mustafa Ben Jaafar, soll das Ressort Gesundheit und der Chef der Ettajid-Partei, Ahmed Ibrahim, Bildung übernehmen.

Die Gewerkschaft UGTT werde auch mit drei Ministern vertreten sein, waren sich Oppositionskreise in Tunis sicher. Die restlichen Ämter sollen an unabhängige Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft und an Technokraten der zweiten Reihe aus der Zeit Ben Alis gehen. Herausragende Politiker des alten Regimes wollte die Opposition keine dulden. Die Islamisten von Ennahda, deren Chef Rachid Ghannouchi die Rückkehr aus dem Exil in London vorbereitet, sind nicht mit von der Partie.

Die Lage im Land schien sich unterdessen zu beruhigen. In der Hauptstadt eilten die Menschen am Montag wie gewöhnlich zur Arbeit. Auf der Avenue Habib Bourguiba, die das Szenario für die große Demonstration im Zuge des Generalstreiks am Freitag geboten hatte und auf der es am Wochenende immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des alten Regimes sowie Armee und Polizei gekommen war, öffneten am Morgen Banken, Büros und Geschäfte, als wäre nichts geschehen.

Die Spuren der Unruhen und Kämpfe sind im Zentrum allgegenwärtig. Die Menschen halten inne, um eingeworfene Scheiben aber auch zerschossene Fahrzeuge zu beäugen. Besonderes Interesse weckte eine völlig zerschossene silberne Mercedes-Limousine. "Präsidentengardisten, die von der Polizei gestoppt wurden", mutmaßten manche.

Die massive Polizeipräsenz deutete an, dass es noch immer gewisse Sicherheitsprobleme gibt. Anhänger des alten Regimes, Präsidentengardisten und Milizionäre aus Reihen der Regimepartei RCD (Demokratisch-Konstitutionelle Sammlungsbewegung) sowie mafiöse Strukturen machten gemeinsame Sache, um Chaos zu säen, lautet eine verbreitete Annahme. Vereinzelt waren auch am Montag Schüsse zu hören. Die Polizei hat ihr Auftreten geändert. Junge Beamte, oft aus dem Innendienst, leiten jetzt die Einheiten an strategisch wichtigen Punkten.

Auch die Demonstranten kehrten zurück. Eine kleine Gruppe von meist jungen Männern forderte die vollständige Vertreibung des Regimes: "Schmeißt die RCD raus!", skandierten sie. Die Polizei löste die Menge auf, bevor sie das Innenministerium erreichte.

Der Presseandrang in der Zentrale der Fortschrittlich Demokratischen Partei (PDP), die am Sonntagmittag ebenfalls von Schützen angegriffen wurde, war am größten. Die gemäßigt linke Formation wird in den Diplomatenstuben Europas und der USA als die ernstzunehmendste Oppositionskraft gehandelt. "Es wird eine Regierung aus zwei Dritteln Op- positionellen und Unabhängigen und einem Drittel Technokraten aus dem alten Regime sein", verriet am Montagmorgen Ahmed Bouazzi aus dem PDP-Vorstand. Neuwahlen möchte der Physik-Professor lieber in sechs als, wie in der Verfassung vorgesehen, zwei Monaten abhalten, um den Parteien Zeit zur Vorbereitung zu geben.

Verschiedene Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen wollen eine gemeinsame Plattform gründen, um den Übergangsprozess zur Demokratie kritisch zu begleiten, kündigte die aus dem Exil zurückgekehrte Sihem Bensedrine, Vorsitzende des Rates für die Freiheit in Tunesien an. (Reiner Wandler aus Tunis, STANDARD-Printausgabe, 18.01.2011)