Musical kostet in Wien sehr viel Geld. Generaldirektor Thomas Drozda verteidigt die Ausgaben: "Tatsache ist: Für Touristen ist das Musical eine entscheidende Motivation, Wien zu besuchen."

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Standard: Sie waren ein Jahrzehnt lang Geschäftsführer des Burgtheaters, seit Juli 2008 sind Sie Generaldirektor der Vereinigten Bühnen Wien. Welcher Job ist stressiger?

Drozda: Sicher die Generaldirektion, weil die VBW in weit höherem Maß von Karteneinnahmen abhängig sind. Daher ist der Druck viel größer. Das Burgtheater hat den Vorteil, dass die Finanzierung gesetzlich festgeschrieben ist. Natürlich ist es problematisch, wenn die Basisabgeltung ein Jahrzehnt nicht valorisiert wird. Aber bei den VBW gab es in den letzten drei Jahren zwei effektive Subventionskürzungen in der Gesamthöhe von 2,9 Millionen Euro. Das ist eine Kürzung um sieben Prozent.

Standard: 37,1 Millionen Euro sind dennoch ein stattlicher Betrag.

Drozda: Ja, er ist der größte des Wiener Kulturbudgets. Aber man muss diese Summe aufschlüsseln: 21 Millionen gehen für die Oper ins Theater an der Wien, fünf Millionen benötigt das Orchester, elf Millionen sind für das Musical in Ronacher und Raimundtheater.

Standard: Sie haben die Quersubventionierung in der Höhe von einer Million Euro durch die Wiener Festwochen vergessen.

Drozda: Das ist keine Quersubventionierung. Wenn sich die Festwochen entscheiden, ein perfekt ausgestattetes Haus zu mieten, dann ist ein Tagessatz von 25.000 Euro angemessen. Das wurde uns vom Kontrollamt bestätigt. Die Festwochen werden unsere Qualität andernorts nicht billiger bekommen.

Standard: Haben sich die Festwochen freiwillig eingemietet?

Drozda: Das kann ich nicht beurteilen. Wenn sie sich dereinst entscheiden sollten, das Haus nicht mehr mieten zu wollen, wird Intendant Roland Geyer überzeugende Ideen haben, wie er das Theater im Mai und Juni bespielt.

Standard: Ist es sinnvoll, ein Haus 40 Tage anzumieten, bloß um sieben Vorstellungen zu spielen?

Drozda: Da fragen Sie den Falschen. Ich würde versuchen, die 40 Tage auszunützen.

Standard: Nun ja - unter dem Jahr ist die Situation nicht viel anders: Pro Monat gibt es durchschnittlich nur sechs Opernvorstellungen.

Drozda: Das Theater an der Wien gibt es erst seit vier Jahren als Opernhaus. Roland Geyer ist Beispielloses geglückt: Die Reputation ist international exzellent, wir haben einen Ganzjahresbetrieb auf höchstem Niveau. Aber es hat ja keinen Sinn, zehn Vorstellungen anzusetzen, wenn man nur sechs sehr gut verkaufen kann. Wir konnten allein im letzten Jahr 600 neue Abonnenten gewinnen, wir verkaufen bereits 25.000 Sitzplätze über Abos. Wir haben also mit der notwendigen Grundauslastung die Voraussetzungen für längere Aufführungsserien geschaffen. Aber es gibt auch künstlerische wie finanzielle Implikationen: Ein Stagionehaus bietet jeden Abend die Premierenbesetzung, was nicht über längere Zeiträume geht, und auch jede ausverkaufte Vorstellung kostet Geld. Eine höhere Anzahl ist daher selbst bei gleichbleibender Subvention kaum zu bewerkstelligen.

Standard: Das Ronacher und das Raimundtheater sind derzeit mit "Ich war noch niemals in New York" und der Wiederaufnahme von "Tanz der Vampire" zu fast 100 Prozent ausgelastet. Dennoch sind 16 Millionen Zuschuss notwendig?

Drozda: Die fünf Millionen für das Orchester sind im Vergleich zu beurteilen: Das RSO benötigt zehn Millionen Euro, die Symphoniker brauchen an die 13 Millionen.

Standard: Um Musical zu spielen, braucht man aber kein so großes Orchester wie für Wagner-Opern.

Drozda: Keine Frage. Ich sage nur: Die fünf Millionen sind in Relation zur Anzahl der gespielten Vorstellungen - an die 600 im Jahr - darstellbar. Und das Orchester ist erstklassig. Meiner Meinung nach sollte es auch andernorts spielen.

Standard: Was müsste man tun, um das Ronacher oder Raimundtheater kostenneutral zu führen?

Drozda: Die ideale Halle mit 1800 Plätzen mit dem entsprechend großen Einzugsgebiet haben wir nicht. Wir bespielen historische Häuser mit 1000 Plätzen. Das Ronacher ist ein wunderschönes Theater, die Künstler wie auch die Besucher sind begeistert. Die entscheidende Frage ist: Will man Musical in Wien haben? Wenn man es auf hohem Niveau und der internationalen Präsenz wegen haben will, dann kostet das Geld. Tatsache ist: Für Touristen ist das Musical eine entscheidende Motivation, Wien zu besuchen.

Standard: Wie hoch ist der Eigendeckungsgrad bei den Musicals?

Drozda: Über 60 Prozent.

Standard: Nur?

Drozda: Ich habe es eigentlich satt, andauernd die eigene Existenz zu legitimieren - zurückblickend auf das erfolgreichste Jahr in der Geschichte der VBW. Wir hatten im Vorjahr in allen drei Theatern weit mehr als 600.000 begeisterte Besucher. Vor zwei Jahren hatten wir drei Sponsoren, jetzt sind es mehr als 30. Das ist für mich auch ein Beleg für unsere Qualität. Und wir agieren international höchst erfolgreich. In Japan zum Beispiel sind wir ein Top-Player. Oder: Elisabeth liegt mit 8,3 Millionen Besuchern weltweit in der Statistik vor Chorus Line und hinter Chicago. Das ist gigantisch.

Standard: "Elisabeth" stammt aus dem Jahr 1992. Wie geht es weiter?

Drozda: Klar ist, dass wir neue Eigenproduktionen brauchen. Es gibt erfolgversprechende Projekte. Ich denke, dass die nächste Uraufführung innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre stattfinden wird. Zudem sind wir dabei, Korea zu erobern. Und wir schauen, was sich aus unserem umjubelten Auftritt bei der Expo in Schanghai entwickelt. Angesichts dieser enormen Präsenz im Ausland: Ich glaube, der Eigentümer wäre nicht gut beraten, auf dieses Marketinginstrument zu verzichten.

Standard: Ist Rudi Klausnitzer noch immer Miteigentümer?

Drozda: Er hat bloß 2,66 Prozent.

Standard: Erhält er weiterhin Tantiemen für Leistungen, die er einst als Intendant erbracht hat?

Drozda: Ja. Aber er hat auf alle Inlandstantiemen verzichtet. Das sollte man honorieren. Denn Tanz der Vampire läuft schon seit September 2009 höchst erfolgreich. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe 17.1.2011)