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Foto: apa/Schlager

Wien - Der scheidende Abt des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz, Gregor Henckel Donnersmarck, hat sich für die Zukunft Ungewöhnliches vorgenommen. "Ich möchte mich mit dem Islam beschäftigen", kündigte er im Interview mit der APA an, vielleicht an der Universität Wien. Zuwanderung sei notwendig für Europa, Kritik übt er am Umgang mit den Missbrauchsfällen in der Vergangenheit. Henckel-Donnersmarck, der mit Februar seinen Dienst als Abt beendet, wünscht sich für Heiligenkreuz keine "Hau-Ruck-Änderungen", eine neue CD wollen die Mönche nicht mehr aufnehmen.

"Verpflichtung, uns mit dem Islam auseinanderzusetzen"

"Ich glaube, wir haben eine wirklich große Verpflichtung, uns mit dem Islam auseinanderzusetzen", begründet der Heiligenkreuzer Abt, der das Stift zwölf Jahre lang geführt hat, sein Interesse am Islam, weswegen er an der Universität Wien oder anderen Einrichtungen ein Studium aufnehmen will. Die Anregung dazu habe indirekt Papst Benedikt XVI. gegeben, der zum Zweiten Interreligiösen Gebet im italienischen Assisi aufgerufen hat. Der Abt mahnt zur Differenzierung: "Wir müssen vorsichtig sein. Islam ist nicht gleich Fundamentalismus." Hingegen gebe es einen Fundamentalismus, der sich auf den Islam berufe.

Henckel Donnersmarck hätte persönlich auch mit einer Moschee samt Minarett neben dem Stift Heiligenkreuz kein Problem. "Die multikulturellen Zeiten waren immer jene, in denen die Kirche am stärksten gewachsen ist." Wesentlich gefährlicher sei der "diktatorische Relativismus, der sich in Europa breitmacht", also etwa der Trend zum Agnostizismus. "Das ist das viel Gefährlichere, wenn die Religion gar keine Rolle mehr spielt." Für den Geistlichen hat der Staat die Verpflichtung, Religion und Religionen zu fördern, was aber reziprok geschehen müsse. "Die furchtbarste Christenverfolgung seit Diokletian findet momentan statt."

"Der jetzige Europäer stirbt aus, das sagen uns alle Demografen", so Henckel Donnersmarck zur Diskussion über Zuwanderung. Der dadurch entstehende "Sog" ist die automatische Folge und Zuwanderung muss daher vernünftig geregelt werden. "Wir als Katholiken und Christen sind nicht diejenigen, die - wie die Nazis das wollten - Gene unbedingt weitergeben wollen, für uns ist wichtiger, den Glauben weiterzugehen. Und da sehe ich die Chancen gar nicht einmal so schlecht." Denn: "Katholisch ist das Gegenteil von fremdenfeindlich. Wir sind ja nicht irgendwelche Rassenideologen."

Zukunft der Kirche in Zuwanderung

Auch die Zukunft der Kirche sieht Henckel Donnersmarck in der Zuwanderung. Ein großer Teil der Studenten an der Hochschule Heiligenkreuz kommt bereits von anderen Kontinenten, vor allem Asien, Lateinamerika und Afrika. Hier ist die Integration keine großes Problem, ergänzt der Abt. Ein teils mehrjähriger Deutschkurs sei verpflichtend beim Eintritt. Außerdem: "Durch ausländische Priester wird niemandem ein Arbeitsplatz weggenommen."

Das Thema Missbrauch ist am Stift Heiligenkreuz nicht spurlos vorbeigegangen. Ein Mitbruder wurde wegen des Besitzes von Kinderpornografie gerichtlich verurteilt, ein kirchliches Verfahren ist im Gange. "Wir wollen allerdings mit diesem Mitbruder, ohne gutzuheißen was er getan hat, durchaus wieder mitbrüderlich, menschlich umgehen. Zum Charisma der Kirche gehört wesentlich die Vergebung", so der Abt, der durchaus Versäumnisse in der Vergangenheit sieht. "Die Kirche muss vorsichtig sein. Sie hätte sicherlich schon seit Jahrzehnten intensiver mit dem Staat zusammenarbeiten sollen in der Verbrechensbekämpfung. Und sie hätte mehr opferorientiert denken sollen." Trotzdem dürfe "die Kirche sich nicht in die falsche Rolle drängen lassen". Sie sei weder Polizei noch Gericht oder Strafvollzugsanstalt. "Wenn ich es überspitzt sagen würde, würde ich sagen, der Staat hat versagt, denn die Verbrechensbekämpfung ist Aufgabe des Staates."

Behutsam mit dem Erbe des Klosters soll auch sein Nachfolger umgehen, wünscht sich Henckel Donnersmarck, der gegen eine "völlige Änderung des Kurses" ist. Dass das Stift wie kein anderes in Österreich in der Öffentlichkeit steht, ist für ihn weniger Problem als eher Chance, Interessenten aus aller Welt zu gewinnen. Vor allem die Liturgie - also auch das gesungene Gebet in Form des Gregorianischen Chorals ziehe die Menschen an, wozu auch der Erfolg der CD "Chant" (Universal) beigetragen habe. Ein weiterer Tonträger sei aber nicht in Planung: "Diese Aufnahmesessions waren für die Schola eine ungeheure Anstrengung." (APA)