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Mehmet Aksoy...

Foto: AP/Aksoy

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... und sein "Denkmal für die Menschlichkeit"

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Wieder ein neues Wort gelernt: ucube (udschube). Heißt "Kuriosität", "Scheusal", "Monstrosität". Das "Denkmal für die Menschlichkeit" in Kars von Mehmet Aksoy ist offiziell "ucube", seit Regierungschef Tayyip Erdogan am 8. Jänner die Stadt im äußersten Osten, nahe der Grenze zu Armenien und Georgien, besuchte und sich nicht mehr eingekriegt hat.

Erdogans Wunsch, die 30 Meter hohe "Monstrosität" möge schleunigst abgerissen werden, weil sie nicht zum islamischen Erbe der Stadt passe, nährt seither eine Debatte über den kulturellen roll-back, den die konservativ-muslimische Regierungspartei AKP der Türkei verpasst. Aksoys im Jahr 2006 begonnene Skulptur hat aber nicht nur ihre - durchaus diskutable - ästhetische Seite, sondern natürlich eine politische Botschaft: eine Mahnung zu Frieden und Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien. Das "Denkmal für die Menschlichkeit" durch einen "schönen Park" ersetzen zu lassen, wie Erdogan es anregte, ist also ein politisch einigermaßen heikler Vorschlag.

Außenminister Ahmet Davutoglu hat das begriffen und gestern den Streit um das Monument in Kars zu einer rein innertürkischen Diskussion erklärt, die das Verhältnis der Türkei zu Armenien nicht beeinflussen werde. Das Verhältnis steckt allerdings seit einem Jahr ohnehin wieder im Tiefkühlfach: Seit die türkische Regierung nach der Unterzeichnung der beiden Protokolle von Zürich über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen neue Bedingungen aufgetischt hat - vor allem die Forderung nach Fortschritten bei Armeniens Verhandlungen mit dem türkischen Verbündeten und Gaslieferanten Aserbaidschan über die Enklave Berg-Karabach -, tut sich zwischen Ankara und Eriwan nicht mehr viel.

"Old Hand" Justin McCarthy, ein alter Fahrensmann in Sachen Revisionismus des armenischen Völkermords, ist dafür wieder aktiv gewesen. Der US-amerikanische Historiker hat die Lobbygruppe Turkish Coalition of America mit einer neuen alten Karte über die Flüchtlingsbewegungen im Osmanischen Reich versorgt. Seine These: Das Osmanische Reich war in den letzten 200 Jahren seines Bestehens durch die Kriege mit Russland, Österreich-Ungarn und der Entente im Ersten Weltkrieg Schauplatz enormer Vertreibungen; und die übergroße Mehrheit dieser etwa sieben Millionen Flüchtlinge seien Muslime gewesen. Die Grafik, die den Zeitraum von 1790 bis 1923 abzudecken versucht, wäre nicht uninteressant, wenn sie die Massenvertreibung und Ermordung der Armenier nicht zu einem kleinen Detail der Geschichte machte: 440.000 Armenier biegen bei McCarthy zwischen 1915 und 1916 irgendwo in die syrische Wüste ab, weitere 300.000 flüchten in den Kaukasus. Ein Teil der türkischen Zeitungen hat McCarthys Karte dieser Tage nachgedruckt - das Wort "Armenien" kam gar nicht vor. Auch eine Kuriosität.