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Schweinezucht ist hochindustrialisiert, für Bio kaum Platz.

Foto: REUTERS/CHRISTIAN CHARISIUS

Deutschland will Skandale künftig mit härteren Strafen und mehr Kontrolle verhindern.

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Wien/Berlin - Politiker arbeiten auf Hochtouren, den Skandal um dioxinverseuchte Eier und Fleisch in den Griff zu bekommen. Dennoch bahnt sich eine massive Vertrauenskrise der Konsumenten an. Indiz dafür sind fallende Preise, bei Produzenten in Deutschland und Österreich sind die Nerven blank.

In Deutschland war Schweinefleisch diese Woche um zehn Prozent günstiger zu haben, für kommende Woche zeichnen sich Einbrüche von zwanzig Prozent ab. In Österreich sank der Kilopreis für die Bauern um zehn Cent auf rund 1,35 Euro, rechnet Adolf Marksteiner, Leiter der Abteilung Marktpolitik der Landwirtschaftskammer, vor, er spricht von unverschuldet importierten Preisen, bereits kommende Woche drohe ein weiterer Absturz um 23 Cent, was zu Krisensitzungen führe. Es gebe massiven Druck aus dem Markt. "Wir sehen jedoch keinen Grund, diese deutsche Spirale nach unten mitzumachen", sagt er dem Standard.

Noch tiefere Preise kosteten vor allem kleinen Betrieben die Existenz. "Die völlig falsche Strategie", warnt auch Rudolf Vierbauch, Obmann des Biobauernverbands BioAustria. Das verleite dazu, günstigeres Futter zu kaufen, und bewirke genau das Gegenteil einer notwendigen Qualitätsoffensive.

Hohe Industrialisierung

Kaum eine Produktionskette in der Lebensmittelindustrie ist derart industrialisiert und preissensibel wie die der Schweine. Drei Kilo Futter ergeben ein Kilo Schwein - 220 Tage lebt ein Masttier, bis es sein Schlachtgewicht von fast 100 Kilo erreicht hat. 500.000 Tonnen ihres Fleisches erzeugt Österreich jährlich und damit 750 Mio. Euro Wertschöpfung. Für artgerechtere biologische Tierhaltung ist in dem Geschäft kein Platz. Dafür im Handel das Doppelte zu bezahlen, sind nur wenige Konsumenten bereit.

Fleischwarenerzeuger wie Karl Schmiedbauer erwarten in jedem Fall weiteren Preisdruck nach unten. Er entstehe in Europa schon allein aus dem Überhang heraus, der sich aus Importsperren großer Abnehmer wie Südkorea ergebe, sagt der Chef von Wiesbauer.

Grenzwerte einhalten

In Deutschland stellte die CSU-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner am Freitag einen Zehn-Punkte-Plan als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal vor. "Mehr Kontrolle", lautet das Credo. Die wichtigsten Punkte daraus: Hersteller von Futterfetten bekommen nur eine Zulassung, wenn sie mit Proben und Berichten an Behörden nachweisen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Zudem werden private Labors werden verpflichtet, Grenzwertüberschreitungen den Behörden zu melden.

Futterfette dürfen nicht mehr in Anlagen hergestellt werden, in denen auch Industriefett produziert wird. Künftig müssen auch die Rohstoffe vor der Verarbeitung getestet werden. Alle Betriebe, die Futtermittel verarbeiten, werden verpflichtet, eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung abzuschließen. Im Internet will Aigner eine Liste aller kontaminierten Lebensmittel und auch des Futters einrichten.

Der Aktionsplan soll nicht nur Konsumenten schützen, sondern auch Aigner selbst. In den vergangenen Tagen war massive Kritik an ihrem Krisenmanagement laut geworden - sie habe auf den Dioxin-Skandal nicht schnell genug reagiert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte berichtet, auch in der CDU/CSU gebe es Unmut. Aigner räumte am Freitag ein: "Vielleicht hätte ich noch mehr kommunizieren müssen nach außen." (Verena Kainrath, Birgit Baumann, DER STANDARD-Printausgabe, 15.1.2011)