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Trotz aller ermutigenden Fallbeispiele: Eine wissenschaftliche Untersuchung, die die Wirkung des Verfahrens eindeutig beweist, gibt es bisher nicht.

Washington - Die Prozedur ist eine reine Notlösung, äußerst unkonventionell und obendrein sehr unappetitlich: Bei vielen Menschen verursacht das Bakterium Clostridium difficile nicht nur heftige Durchfälle, sondern wiederkehrende Darmentzündungen. Da Antibiotika immer häufiger gegen den Erreger versagen, greifen Ärzte in ihrer Not zu einem letzten Ausweg: Sie verpflanzen Stuhl von gesunden Menschen in den Darm der Patienten. Die Exkremente sollen gute Bakterien in den Verdauungstrakt einschleusen, die die üblen Keime dann verdrängen.

Das eklige klingende Verfahren ist nicht aufwendiger als eine Darmspiegelung. Dutzende Fallbeispiele - dokumentiert in Fachjournalen oder vorgestellt auf medizinischen Fachkongressen - belegen, dass die sogenannte Fäkaltransplantation vielen Patienten hilft.

Bakterienkolonien umsiedeln

"Das ist das ultimative Probiotikum", so Lawrence Brandt von der Montefiore-Klinik in New York. Schon 17 Mal hat der Arzt auf diese Art ganze Bakterienkolonien umgesiedelt. Alexander Khoruts von der Universität von Minnesota vergleicht das mit einer Organverpflanzung, nur dass der Empfänger keine Medikamente braucht, die die Immunabwehr unterdrücken.

Bei einer Patientin, die nach achtmonatigem Befall mit C. difficile völlig abgemagert war, untersuchte Khoruts mehrmals die Darmflora. Nachdem die Frau Fäkalien ihres Ehemannes erhalten hatte, verschwand nicht nur ihr chronischer Durchfall, sondern gleichzeitig besiedelten die bakteriellen Neuankömmlinge zügig den genesenden Darm.

Wissenschaftliche Untersuchungen fehlen

Trotz aller ermutigenden Fallbeispiele: Eine wissenschaftliche Untersuchung, die die Wirkung des Verfahrens eindeutig beweist, etwa indem sie die Transplantation mit einer Antibiotika-Kur vergleicht, gibt es bisher nicht. Schon oft haben anfangs vielversprechende Verfahren bei näherem Hinsehen enttäuscht.

"Es gibt sehr gute Gründe zu der Annahme, dass diese Fäkaltransplantation - oder Bakterientherapie - helfen kann", sagt Lawrence Schiller aus Dallas. Der Gastroenterologe verfolgt den Trend mit Interesse, hat aber selbst noch keinen solchen Eingriff vorgenommen. "Bevor alle damit anfangen, muss man den Effekt klar nachweisen."

Der Problemkeim C. difficile ist sowohl in Krankenhäusern als auch außerhalb davon auf dem Vormarsch. In den USA verursacht er pro Jahr etwa 15.000 Todesfälle. Manche Infizierte entwickeln nur leichte Durchfälle. Aber andere Patienten, insbesondere durch andere Erkrankungen geschwächte Senioren, erleiden heftige Entzündungen des Darms.

Und auch nach einer Besserung kehrt die Infektion bei fast jedem dritten Patienten wieder zurück, bei vielen davon regelmäßig. Diese Menschen schlucken dann über Wochen und teilweise über Monate Antibiotika. Deren Nachteil: Sie setzen auch den nützlichen Darmbewohnern zu. Wenn Hunderte Bakterienarten wegsterben, fällt es der Erreger in dem Vakuum leichter, wieder Fuß zu fassen. "Die Patienten stecken in einem Teufelskreis aus Behandlung und Wiederbehandlung", sagt Khoruts, der seit 2008 schon 21 Mal Stuhl-Transplantationen vorgenommen hat.

Altes Verfahren

Die erste Fäkaltransplantation nahmen Mediziner schon 1958 vor. Seitdem sind 170 Fälle in Fachzeitschriften dokumentiert. Dass allein ein Drittel davon aus dem Jahr 2010 stammt zeigt, dass Ärzte angesichts der zunehmenden Probleme durch C. difficile immer häufiger zu dieser Möglichkeit greifen.

"Früher war das Verfahren für mich nur ein Zeichen dafür, wie verzweifelt Patienten und Ärzte waren", sagt Christina Surawicz von der Universität von Washington. "Aber irgendwann blieb mir selbst nichts anderes mehr übrig." Allerdings drängen sämtliche Experten darauf, das Verfahren systematisch zu erforschen. Bei Fallbeispielen, so argwöhnen sie, würden Ärzte eher die Erfolge dokumentieren als die Fehlschläge.

Ein Standardvorgehen gibt es bisher nicht. Brandt prüft zunächst, dass der Spender keine Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder HIV hat und dass er frei von Darmparasiten ist. Dann bringt der Spender eine Stuhlprobe, die Brandt verflüssigt und bei einer Darmspieglung in den Verdauungstrakt träufelt.

Eine Patientin litt 18 Monate an stetig wiederkehrenden Infektionen, bevor sie sich vor zwei Jahren auf die Prozedur einließ. "Anfangs fühlt man sich wie eine Aussätzige", erzählt die genesene Frau aus New York. "Aber seitdem habe ich nie wieder ein Antibiotikum genommen." (APA)