Autofahrer sollten sich an die hohen Treibstoffpreise der letzten Wochen gewöhnen. Es gibt viele Gründe, warum der Ölpreis weiter steigen wird - die Erholung der Weltwirtschaft, starke Nachfrage aus China, Produktionsprobleme in vielen Ölregionen - und nur wenige, die auf einen Rückgang hindeuten. Die 100-Dollar-Grenze für ein Fass Rohöl dürfte bald fallen, und auch wenn Experten keinen Dauertrend sehen, könnte der Rekordwert von 147 Dollar aus dem Sommer 2008 mittelfristig übertroffen werden. Selbst das schon oft prognostizierte 200-Dollar-Öl könnte dann Realität werden. Ob man nun das "Peak Oil"-Szenario glaubt oder nicht: Die Ausweitung der Ölproduktion stößt an ihre Grenzen, das Wachstum der Nachfrage leider nicht.

Deshalb ist der Preisanstieg gar keine so schlechte Sache. Wenn es eine Chance gibt, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, um so dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, dann nur durch steigende Kosten. Nur bei einem anhaltend hohen Ölpreis kaufen Menschen sparsame Autos und investieren Regierungen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Nur wenn Heizen noch viel teurer wird, werden Millionen von schlecht isolierten Altbauten thermisch saniert. Das, was die Weltgemeinschaft in Kopenhagen und Cancún nicht geschafft hat, könnten die Marktkräfte von sich aus bewirken.

Anders als in den Siebziger- und Achtzigerjahren wird das Wachstum durch hohe Energiepreise nur wenig gebremst. Nicht 2008 war das Jahr der Krise, sondern 2009, als der Ölpreis drastisch fiel. Und auch wenn Autofahrer stöhnen - teures Öl ist für fast alle leistbar, wenn sie ihr Verhalten entsprechend anpassen.

Viel problematischer ist der rasante Anstieg der Lebensmittelpreise, für den ebenfalls kein Ende in Sicht ist. Zwei Drittel der Menschheit können auch mit höheren Kosten für Nahrung - wenn auch oft unter beträchtlichen Einschnitten - leben. Aber für das restliche Drittel droht der Preisanstieg bei Reis, Mais und Weizen zum Absturz in bittere Armut, Krankheit oder Tod zu führen. Dazu kommt die Gefahr von Hungerrevolten in politisch ohnehin instabilen Ländern.

Angesichts schlechter Ernten, an denen der Klimawandel viel Schuld trägt, gibt es weltweit kaum noch Reserven, um Hungersnöte zu bekämpfen. Dazu kommt, dass die Reaktion vieler Staaten auf Lebensmittelknappheit - Exportbeschränkungen für die eigenen Agrarprodukte - die weltweite Knappheit weiter verschärft. Wirkungsvolle Lösungen brauchen alle ihre Zeit.

Diese Preistrends bedeuten allerdings nicht die Rückkehr der Inflation - zumindest nicht in den Industriestaaten. Für Chinas Wirtschaft ist die Teuerung das Hauptproblem, das durch eine verfehlte Währungspolitik noch verschärft wird. Aber wie Goldman-Sachs-Ökonom Jan Hatzius im jüngsten Standard-Interview sagte, ist in den USA trotz ihrer lockeren Geldpolitik keine Spur von Inflation zu sehen. Auch in der Eurozone werden - obwohl die EZB bereits warnt - die deflationären Tendenzen in den Schuldenstaaten, die ihre Lohnkosten senken müssen, den Preisauftrieb in Deutschland und Österreich dämpfen.

Deshalb ist zu hoffen, dass die heimische Politik nicht in eine Inflationspanik wie im Sommer 2008 verfällt, bloß weil Benzin und Brot mehr kosten. An den Folgen der damaligen "Anti-Teuerungs-Pakete" - vor allem den Zugeständnissen an die Pensionisten - leidet Österreich noch heute. (Eric Frey, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 14.1.2010)