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Jean-Marie Le Pen (rechts) will weiterhin seinen Rat geben. Ab Sonntag wohl an seine Tochter Marine Le Pen, die FN übernehmen soll.

Foto: Reuters/Herman

Eine Ära geht zu Ende: Jean-Marie Le Pen tritt ab, nachdem er den rechten Rand der französischen Politik fast vierzig Jahre lang dominiert hatte.

Legendär waren seine Provokationen, wenn er die Gaskammern im Zweiten Weltkrieg als "historisches Detail" abtat oder meinte, er ziehe Kühe den Arabern vor. Seinen größten Triumph verzeichnete er bei den Präsidentschaftswahlen von 2002, als er sensationell in die Stichwahl gegen Jacques Chirac vordrang.

Danach trat allerdings Nicolas Sarkozy an, dem Front National (FN) das Wasser abzugraben. Als Innenminister polterte er gegen das "Pack" in den Banlieue-Vororten; nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten 2007 trat er eine Debatte über "nationale Identität" los und ließ Tausende von Roma nach Rumänien zurückschaffen.

Vor dem Wahljahr 2012 legen die "Frontisten" nun wieder zu: In Umfragen sprechen sich 22 Prozent der Franzosen für die rechtsextreme Partei aus. In diesem Kontext erhält der anstehende Generationenwechsel eine besondere Bedeutung. Am Sonntag übergibt Jean-Marie Le Pen die Leitung seiner von ihm selbst gegründeten Formation in jüngere Hände. Nachfolgekandidaten sind Bruno Gollnisch, ein strammer 60-jähriger Parteiideologe, der auf eine reiche Trophäensammlung an Verleumdungsprozessen zurückblickt, sowie die Tochter des Chefs, Marine Le Pen.

Die 42-jährige, hochgewachsene Blondine mit Männerstimme hat beste Chancen, die Leitung des FN anzutreten. Ihr geht es aber gar nicht so sehr um die Partei - Sie visiert vor allem die Präsidentschaftswahlen 2012 an. Ihre ruppige, direkte Art macht sie laut Umfragen 27 Prozent der Franzosen sympathisch. Das ist weit mehr als ihr Vater, der sich als politisches Scheusal gab, um sich die Protestwähler zu holen.

Marine Le Pen vertritt die gleichen Thesen wie ihr Vater und wettert ebenso gegen die Immigration, den Islam und die EU. Sie tut es aber ohne Eklat; statt auf Provokation setzt sie auf Salonfähigkeit, um ins Fernsehen zu kommen.

Aus der Überlegung, dass sie die Stimmen der eigentlichen Rechtsaußen und Protestwähler ohnehin sicher hat, sucht die wohl nächste FN-Chefin auch rechtsbürgerliche Wähler anzusprechen. Das macht sie für die Regierungspartei und deren Anführer Nicolas Sarkozy gefährlich.

Ob sie in gut einem Jahr zu einer ähnlichen Wahlsensation wie ihr Vater fähig ist, wird sich aber erst weisen. Ihre vergleichsweise hohen Beliebtheitswerte bedeuten nicht, dass ihr die Franzosen an der Urne auch die Stimme geben werden. In Wahlumfragen erhält sie nur 13 bis 14 Prozent. Das entspricht dem klassischen Potenzial des Front National.

Staatschefin wird Marine Le Pen wohl nie; dazu ist schon ihr Wirtschaftsprogramm zu dürftig und zu diffus. Aber sie kann bei den Präsidentschaftswahlen einigen Kandidaten einen Strich durch die Rechnung machen. Sie ist weniger als ihr Vater ein Schreckgespenst für Frankreichs Politik - umso mehr aber für all die Politiker, die ins Elysée einziehen oder dort bleiben wollen. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2011)