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EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will die Märkte beruhigen, um dem Euro mehr Stabilität zu verleihen. Dazu will er den Euro-Rettungsschirm aufstocken.

Foto: APA/EPA/Olivier Hoslet

Die Debatte über eine mögliche Ausweitung des Euro-Rettungsschirms für hochverschuldete Länder ist wieder voll entbrannt. Die EU-Kommission will den Schirm rasch vergrößern, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Mit den Mitteln des Internationalen Währungsfonds umfasst er 750 Milliarden Euro. Spätestens beim nächsten EU-Gipfel Anfang Februar könnte es demnach einen Konsens der europäischen Staats- und Regierungschefs geben. Noch ist man aber freilich nicht so weit.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die bisher eine Aufstockung ablehnte, wollte den Kommissionsvorstoß bei einem Staatsbesuch von Italiens Premier Silvio Berlusconi "nicht weiter kommentieren" . Das bestehende Volumen sei noch lange nicht ausgeschöpft, so Merkel.

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Brüssel - Flankiert von Währungskommissar Olli Rehn und Sozialkommissar Lázló Andor stellte sich der Chef der EU-Kommission, José Manuel Barroso, am Mittwoch in Brüssel der Presse, um quasi ein neues Zeitalter der gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu verkünden.

"Heute wollen wir Neuland erobern, erstmals wird das europäische Semester angewendet", sagte er, die EU-Staaten müssten ab sofort alle ihre Vorhaben melden, die Maßnahmen mit anderen EU-Staaten abstimmen, Empfehlungen der Kommission umsetzen - lange vor der Beschlussfassung in nationalen Parlamenten.

Mit einer solchen koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik müsse es gelingen, die Union 2011 aus Schuldenkrise und schwachem Wachstum herauszuführen. Ein zentrales Element dafür müsse der noch stärkere Abbau der Schulden sein, "rigorose Konsolidierung", betonte Rehn: In einzelnen Staaten müsste die Reduktion des Defizits "weit mehr" als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen, sonst drohe ein langes, tiefes Tal von Stagnation und Arbeitslosigkeit. Nur Staaten, "die mittelfristige Planung ernst nehmen", stünden gut da, wie "Paradefall Schweden". Oder Deutschland, das für das vierte Quartal 2010 Wachstum wie seit zwanzig Jahren nicht mehr verlautbaren konnte.

Aber die Dringlichkeit von Strukturreformen, gemeinsamer Fiskalpolitik oder Budgetpläne interessierten an diesem Mittwoch die wenigsten. Praktisch alle Fragen zielten auf ein Thema ab: Warum sollte der Euro-Rettungsfonds (EFSF), der mit insgesamt 440 Milliarden Euro dotiert ist (weitere 250 Mrd. stehen über den IWF bereit), so rasch wie möglich ausgeweitet werden? Müsste nach Griechenland und Irland demnächst auch Portugal den Schirm der Euroländer in Anspruch nehmen, wie das auf den Märkten seit Wochen angenommen wird?

Rehn selber hat dazu eine Debatte entfacht, als er in einem Gastbeitrag für die Financial Times die Aufstockung der Eurofazilität forderte. Zahlen nannte er nicht. Aber er präzisierte in Brüssel, dass es darum gehe, "die Darlehensfähigkeit der Fazilität zu erhöhen und den Anwendungsbereich zu erweitern". Der Euro-Rettungsschirm ist Kern der gemeinsamen Hilfe mit dem internationalen Währungsfonds (IWF), dessen Chef Dominique Strauss-Kahn Mittwoch zu Verhandlungen in Berlin weilte.

Aktionsradius erweitern

Barroso wies Vermutungen zurück, dass die auch von ihm verlangte Ausweitung des Rettungsschirms mit Portugal zu tun habe. "Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme", erklärte er, "wir brauchen das Instrument auf jeden Fall, weil es die Märkte beruhigen soll." Diese seien eben instabil. Laut Barroso gebe es dazu eine Diskussion mit den Regierungen. Nach seiner Ansicht könnte die Aufstockung "rasch", etwa beim nächsten EU-Gipfel Anfang Februar, beschlossen werden.

Dem widersprachen umgehend die Regierungen in Berlin und Paris. Kanzlerin Angela Merkel betonte bei einem Besuch in Rom, dass der Rettungsschirm bisher gar nicht ausgeschöpft wurde.

Rehn erinnerte daran, dass man schon jetzt über die Ausgestaltung des permanenten Euro-Krisenmechanismus ab 2013 denken müsse, der von den Staats- und Regierungschefs im Dezember beschlossen wurde. Der "Aktionsradius" solle ausgedehnt werden, sprich, es sollten nicht nur Kredite vergeben werden können, sondern auch andere Maßnahmen gesetzt: etwa Kauf von Staatsanleihen. Eurobonds seien aber "nicht realistisch", so Rehn. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.1.2011)