Budapest/Wien - Die für die digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes hält an ihrer Kritik am ungarischen Mediengesetz fest. Am Dienstag sagte sie, das Gesetz stelle unter der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie ein "Problem" dar, weil seine Vorschriften auch für Medienbetriebe gelten, die in anderen EU-Staaten niedergelassen sind, und dies gegen das EU-Herkunftslandprinzip verstoßen würde. Die EU-Kommission wird während der Präsidentschaft Ungarns prüfen, ob das Gesetz der Medienrichtlinie oder der Grundrechtecharta widerspricht.

Der Ex-Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Miklos Haraszti sagte, das Gesetz mache Vorgaben über Berichterstattung, was ein Charakteristikum von Einparteienstaaten und Totalitarismus sei. "Der Gedanke des Pluralismus ist beseitigt worden. Das ist total beispiellos." Der Schriftsteller György Konrad spricht von einer "Demokratur".

Der Fidesz-EU-Abgeordnete György Schöpflin beklagte hingegen, der Westen würde im Fall Ungarns mit "zweierlei Maß" messen, und zog Parallelen zu den Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung. "Die Affäre beginnt mich an den Boykott Österreichs zu erinnern." Die Regierung macht Intellektuelle dafür verantwortlich. Außenamts-Staatssekretär Zsolt Nemeth schrieb in einem Blog der Ratspräsidentschaft: "Besonders deprimierend ist es, wie einzelne ungarische 'intellektuelle' Kreise im Hintergrund der hysterischen Ausbrüche gegen ihre Heimat auftauchen."

Im Auswärtigen Ausschuss in Budapest war bereits vor Wochen empfohlen worden, dass Diplomaten im Ausland darauf "achten" sollten, dass Zeitungen nicht schlecht über Ungarn schreiben. Kommenden Freitag findet in Budapest eine Demonstration gegen das Gesetz statt. (APA, awö/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2011)