Wien - Im Februar wird Friedrich Cerha 85, doch insgeheim steht das gesamte Jahr im Zeichen dieses Komponisten. Das Klangforum Wien warf im Wiener Konzerthaus zielsichere Schlaglichter auf ein komplexes Gesamtwerk: Klug ausgewählt waren die Beispiele vom "frühen" und "späten" Cerha, die eine schier unglaubliche stilistische Entwicklung voneinander trennt und die doch von einer ähnlichen Haltung geprägt sind.

Unverstellte Emotionalität und musikantischen Zugriff vereinen nämlich nicht nur die Acht Sätze nach Hölderlin-Fragmenten für Streichsextett aus den Neunzigerjahren, sondern auch die Deux éclats en reflexion für Violine und Klavier aus den Fünfzigern. Es ist zu erahnen, wie sehr die knapp formulierten Stücke unter dem Eindruck der damaligen Avantgarde durchkonstruiert sind. Es wäre aber nicht Cerha, wäre nicht die handwerkliche Dimension durch emotionale Direktheit überformt. Und der Komponist verfügte schon damals über seine übliche Bandbreite von wild und ruppig bis ätherisch und sanft - Stimmungswechsel, die seiner Musik unmittelbare Wirkung sichern.

Das emotionale Spektrum, das Cerha einsetzt, ist enorm: Fast eines seiner Markenzeichen bildet etwa ein Ton der Trauer, der immer wieder von Lebhaftigkeit relativiert wird, ein anderes ein musikalischer Humor, der die Hörer geistreich überrascht.

Eine brachialere Variante der Lustbarkeit sind Eine Art Chansons aus den Achtzigerjahren, die dieses erste Konzert im "Spontanzyklus" des Klangforums ("Schluss mit lustig 2") abschlossen. Allerdings: Die Gedichte von Jandl und anderen, die von der Komik von Lauten und Sprachwitz leben, scheinen sich einer Musikalisierung doch zu entziehen. An Bariton Martin Winkler und den MusikerInnen des Klangforums lag es aber wohl nicht, dass das Heitere dieser Chansons meist nur in den Texten stattfand. (daen/DER STANDARD, Printausgabe, 12. 1. 2011)