Wien - Der scheidende Vizepräsident des Wiener Stadtschulrats Walter Strobl (ÖVP) beurteilt das von seiner Partei auf Bundesebene vorgelegte Konzept einer "Mittleren Reife" skeptisch. "Wenn das nur den Übertritt in eine weiterführende Schule ermöglicht, ist das der falsche Weg", so Strobl in einer Pressekonferenz am Dienstag. Schließlich handle es sich dann lediglich um eine "verschobene Aufnahmsprüfung". Gleichzeitig plädierte er statt einer Trennung in Hauptschule und Gymnasium für die Einführung einer leistungsdifferenzierten AHS-Unterstufe für alle.

Wie die Mittlere Reife aussehen soll, ist derzeit innerhalb der Volkspartei noch unklar. Strobl forderte heute, das Modell genau zu definieren. Ansonsten mache es keinen Sinn. Generell sprach sich der ÖVP-Politiker für eine "weniger selektive Schulorganisation" bis 14 Jahre aus. Angesichts der schlechten PISA-Ergebnisse könne man nicht einfach sagen, das derzeitige differenzierte Schulsystem bleibe bestehen, während gleichzeitig in besser abschneidenden OECD-Ländern zumindest irgendeine Form der gemeinsamen Schule existiere.

Einheitliche akademische Lehrerausbildung

"Die ÖVP glaubt, dass ihre Klientel so konservativ ist, dass das elitäre bzw. Selektionssystem ihrer Meinung nach bestehenbleiben muss", so die Analyse Strobls, warum es der Volkspartei hier so schwer falle, sich zu bewegen. Außerdem gebe es beim Lehrpersonal "Standesdünkel", gab er zu bedenken. Der Noch-Vizepräsident plädierte für eine einheitliche akademische Lehrerausbildung.

Was die Aufwertung der Hauptschule zur Neuen Mittelschule (NMS) bei gleichzeitiger Beibehaltung des Gymnasiums betrifft - wie dies das ÖVP-Bildungskonzept vorsieht -, ortete Strobl das Problem, dass vor allem in Ballungsgebieten immer mehr Schüler die AHS besuchen würden, weshalb die Leistungsgruppe 1 in Hauptschulen de facto nicht mehr existiere. Hier betreibe die ÖVP eine "Vogel-Strauß-Politik". Die Lösung könne nur lauten, eine AHS-Unterstufe für alle einzuführen - allerdings mit implementierter Leistungsdifferenzierung.

Nachfolger aus der FPÖ

Gleichzeitig zog Strobl auch Bilanz über seine Tätigkeit in der Wiener Bildungspolitik. So sei es unter seiner Mitwirkung etwa gelungen, die Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte zu gründen. Zudem habe er gemeinsam mit der SPÖ die Wiener Modelle der Kooperativen bzw. "Wiener Mittelschule" entwickelt. Der Stadtschulrats-Vize übergibt sein Amt in der kommenden Woche seinem Nachfolger Helmut Günther (FPÖ). Aufgrund des Wahlergebnisses bei der Wien-Wahl im Oktober steht dieser Posten nämlich nicht mehr der ÖVP, sondern der FPÖ zu. (APA)