Schon vor einigen Jahren gelang den Innsbrucker Wissenschaftern die Erzeugung von fester Kohlensäure. Nun stellten sie zusammen mit Wiener Kollegen auch gasförmiges H2CO3 her.

Foto: Uni Innsbruck

Der Komet Hale-Bopp; die Forscher halten es für möglich, dass gasförmige Kohlensäure auch im All vorkommt, etwa im Schweif von Kometen oder an den Mars-Polen.

Foto: E. Kolmhofer, H. Raab; Johannes-Kepler-Observatory, Linz,

Wien/Innsbruck - In so manchem Lehrbuch findet man noch den Hinweis, dass es Kohlensäure (H2CO3) in fester Form nicht gebe. Inzwischen ist es bereits einige Jahre her, dass Innsbrucker Wissenschafter dies widerlegten und Kohlensäure in reiner Form als Festkörper hergestellt haben.  Nun ist es Forschern der Universität Innsbruck und der Technischen Universität (TU) Wien gelungen, auch eine andere veraltete Lehrmeinung, nämlich dass Kohlensäure beim Verdampfen sofort in Kohlendioxid und Wasser zerfalle, zu entkräften: Die Wissenschafter haben gasförmige Kohlensäure erzeugt und mittels Infrarotspektroskopie exakt charakterisiert. 

Da und dort wird Kohlensäure als Reinsubstanz noch als "wissenschaftliche Kuriosität" bezeichnet. So kurios ist die Substanz allerdings nun wieder nicht, immerhin hatten etwa zur gleichen Zeit wie die Innsbrucker Forscher eine Arbeitsgruppe der NASA und eine aus Sizilien durch hochenergetische Bestrahlung von Kohlendioxid-Eis-Gemengen Kohlensäure hergestellt - Bedingungen wie sie auch im All vorkommen. "Deshalb geht man heute davon aus, dass Kohlensäure nicht nur eine Kuriosität ist, sondern auch natürlich vorkommt, etwa in Kometen wie Hale-Bopp, den Polen des Mars oder der Venus-Atmosphäre", erklärte Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Uni Innsbruck.

Große Überraschung

Die neuesten Arbeiten der Wissenschafter, die  in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht wurden, zeigen nun, dass Kohlensäure auch gasförmig vorkommen kann, und zwar unter ganz bestimmten Temperaturbedingungen. Lörting und die Forschungsgruppe um Hinrich Grothe von der TU haben beobachtet, wie Kohlensäure im Vakuum bei minus 50 bis minus 30 Grad Celsius vom Festkörper in die Gasphase übergeht - "und dort zur großen Überraschung aller als Kohlensäure bestehen bleibt und sich nicht zersetzt", so Lörting.

Mit Hilfe eines Tricks - die gasförmige Kohlensäure wurde in einer Matrix aus dem Edelgas Argon gefangen und auf minus 265 Grad Celsius gekühlt, was ein Abbild der Gasphase bei minus 30 Grad lieferte - konnten die Wissenschafter die Kohlensäure mittels eines Infrarotspektrometers exakt charakterisieren. Man sei davon ausgegangen, dass die Kohlensäure bei so relativ hohen Temperaturen wie minus 50 Grad in Kohlendioxid und Wasser zerfallen sei, doch es sei kaum etwas von den Zerfallsprodukten gefunden worden. Zudem haben die Wissenschafter drei verschiedene Arten von Kohlensäure in der Gasphase nachgewiesen: zwei verschiedene Einzelmoleküle (Monomere), die sich in der räumlichen Anordnung der Atome unterscheiden, und ein gepaartes Kohlensäure-Molekül (Dimer).

Spektrallinien für die Suche im All

"So könnte die gasförmige Kohlensäure auch im Schweif vom Halleyschen Kometen oder über den Mars-Polen aussehen", so Lörting. Nun gebe es jedenfalls sehr genau definierte Spektrallinien, die man direkt mit Spektren von Mars oder Venus vergleichen kann.

Lörting vermutet übrigens, dass Kohlensäure auch in der Erdatmosphäre vorkommt, insbesondere in Cirruswolken. So wird etwa Saharastaub in die Atmosphäre aufgewirbelt, der viele Karbonate, insbesondere Magnesium- und Kalziumkarbonat, beinhaltet. Im Labor haben die Wissenschafter diese wasserunlöslichen Karbonate bei den üblicherweise in Cirruswolken vorkommenden Temperaturen von minus 50 Grad mit Säure besprüht. Dabei zeigte sich, dass sich langsam Kohlensäure bildet und sich nachweisen lässt. "Wir schlagen daher vor, die Cirruswolken und deren Spektren näher auf Kohlensäure zu untersuchen", so Lörting. (red/APA)