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Mihail Sosnovschi (li.) und Denys Cherevychko an der Staatsoper.

Foto: AP/ Lilli Strauss

Wien - Ein Hoffnungsschimmer? Seit zwanzig Jahren sucht das Wiener Staatsballett eine zeitgemäße Identität. Nun feierte ein gemischter Abend Premiere, der zeigt, dass die Tänzer unter Manuel Legris, dem fünften Ballett-Leiter nach der legendären Direktion unter Gerhard Brunner, wieder an Qualität gewonnen haben.

Während Gyula Harangozó schon damit zufrieden war, wenn bei welchem künstlerischen Dumping auch immer die Auslastung stimmte, hat sein Nachfolger Legris bisher zumindest das tänzerische Niveau seiner Truppe angehoben. Wohin er allerdings die jetzt so förmlich "Wiener Staatsballett" benannte Compagnie inhaltlich bringen will, bleibt auch bei diesem Programm mit dem blassen Titel Schritte und Spuren ein Rätsel.

Große Bewegungsfreiheit hat Legris nicht. Denn es gibt auf weiter Flur zurzeit kaum jüngere Choreografinnen und Choreografen, die den Willen, den Mut und das Talent haben, mit den Mitteln des Gegenwartsballetts etwas Neues zu erobern oder gar brisante Themen zu transportieren.

Nach den Stücken von Jiøí Bubeníèek, Jorma Elo, Paul Lightfoot mit Sol León und Jiøí Kylián blieb der Applaus matt. Nicht einmal Buhrufe waren zu vernehmen. Dabei ist das Wiener Ballettpublikum durchaus einsatzfreudig mit seinen "Bravos" und "Buhs", es will begeistert sein oder sich ordentlich echauffieren können.

Doch in Bubeníèeks empfindsamer Arbeit Le Souffle de l'esprit wirken die Tänzer bloß an einer fahlen Abhandlung über nicht weniger als das Leben und den Tod mit. Jorma Elos kess gestricktes Glow-Stop wiederum war bereits im Haus am Ring zu sehen.

Einzig nach Skew-Whiff von Lightfoot & León kam Stimmung auf, weil das Stück lustig ist und demonstriert, dass die vituosen Körper der Tänzer sogar auch sarkastisch sein können. Und zum Abschluss von Schritte und Spuren darf es ein bisserl sexy sein - bei Altmeister Kyliáns zart ergrauter Bella Figura, in dem die Tänzerinnen oben ohne auftreten. Was natürlich an die kleine Affäre um die Ballerina Karina Sarkissova im Vorjahr erinnert, die der Versuchung nicht widerstehen konnte, die "Barschaft" ihrer Haut auf dem Zeitschriften-Boulevard zu Markte zu tragen.

Die Folgen sind bekannt. Erst Hinauswurf, dann Wiederaufnahme. Sarkissova fühlte sich diskriminiert, vergaß aber, dass sie sich schon selbst gedemütigt hatte, weil sie ihren Körper jenem Voyeurismus zum Fraß vorwarf, den der Boulevard gern bedient. Nun hat sie sich bei ihrem Auftritt in Jorma Elos Glow-Stop sichtlich angestrengt und auch einen guten Auftritt hingelegt.

Immerhin hat Sarkissova mit ihrem Ausritt für Diskussionen gesorgt. Das sollten aber eigentlich die künstlerischen Statements des Balletts tun. In einer so diskursallergischen Stadt wie Wien, wo gerade die "Hochkultur" ein Paradies für intelligente und anregende Aufreger sein kann, ist da noch allerhand möglich. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 11. Jänner 2011)