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Kurt Kotrschal im Wolf Science Center (WSC) im Wildpark Ernstbrunn.

Foto: APA/Pfarrhofer

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Der Verhaltensbiologe ist "Wissenschafter des Jahres 2010".

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Wien – Der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (57) ist Österreichs "Wissenschafter des Jahres 2010". Dazu wurde der Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ) und des Wolfsforschungszentrums in Ernstbrunn (NÖ) von den Mitgliedern des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten gewählt. Die Auszeichnung wurde Kotrschal heute, Montag, in Wien überreicht.

Mit der Ehrung wollen die Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vor allem das Bemühen von Forschern würdigen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Image der österreichischen Forschung zu heben. Sowohl an der Konrad Lorenz Forschungsstelle als auch am Wolfsforschungszentrum legt Kotrschal großen Wert auf Vermittlungsarbeit. So werden u.a. diverse Besucherprogramme, Themenführungen und Projekte mit Kindern angeboten. Auch in den Medien ist der Wissenschafter immer wieder vertreten, mit seiner Meinung oder zuletzt etwa in einer dreiteiligen "Universum"-Sendung im ORF über das neue, von ihm mitbegründete Wolfsforschungszentrum.

Österreich fördert Wissenschaft zu wenig

Kotrschal sieht in der Auszeichnung auch ein "Kompliment für alle Mitarbeiter". Sie werde "das Augenmerk auf uns noch verstärken und wir werden versuchen, das zum Wohle unserer Institutionen in Grünau und Ernstbrunn zu verwenden", betonte er. Er laufe "den Medien nicht nach, wir machen einfach Dinge, die offenbar interessieren und freuen uns natürlich, dass das so gehört wird". Öffentlichkeitsarbeit sei heute "unvermeidbar", die Öffentlichkeit zahle, "also habe sie auch das Recht darauf, dass wir kommunizieren, was wir so tun". Zudem würden Sponsoren eine immer größere Rolle spielen. "Wenn wir keine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit machen würden, hätten wir beispielsweise bei den Wölfen keine Sponsoren und ohne diese wäre das ganze Projekt nicht möglich", so der Biologe.

Sein Beispiel, mit viel Engagement privates Geld für die Forschung aufzutreiben, ist für Kurt Kotrschal "kein Freibrief, die Unis dort zu lassen, wo sie sind – in der Krise". Es stehe einem Staat gut an, Wissenschaft ausreichend zu fördern – "in Österreich ist das nicht der Fall", meinte Kotrschal bei seiner Präsentation als "Wissenschafter des Jahres", der seine Kritik allerdings auch als "Jammern auf hohem Niveau" bezeichnete. Universitäten und der Wissenschaftsfonds FWF seien jedenfalls "unterdotiert".

Dennoch kann der Biologe einer "gesunden Mischfinanzierung" etwas abgewinnen. Durch private Sponsoren habe man als Wissenschafter "eine gewisse Erdung in der Gesellschaft". Allerdings sei das Sponsoren-Aufkommen in Österreich "jämmerlich gering".

Lernen von den USA

Aufgrund seiner Erfahrungen in den USA betonte der Wissenschafter, dass man vor allem in der Uni-Politik von dort lernen könne. So gebe es dort aufgrund der hohen Kosten eines Studiums einen hohen Qualitätsanspruch der Studenten. In Österreich könne man dagegen oft eine Allianz von Vortragenden und Studenten beobachten, die von "Infotainment" und dem Versuch, sich gegenseitig nicht wehzutun, geprägt sei.

Die Auszeichnung "Wissenschafter des Jahres" haben bisher u.a. der Innsbrucker Experimentalphysiker Rudolf Grimm (2009), die Allergieforscherin Fatima Ferreira (2008), der inzwischen verstorbene Literaturwissenschafter Wendelin Schmidt-Dengler (2007), der Philosoph Konrad Paul Liessmann (2006), die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb (2005), der Mathematiker Rudolf Taschner (2004), der Immunologe Josef Penninger (2003) und die Mikrobiologin Renee Schroeder (2002) erhalten. (APA)

Kopf des Tages:
Von den Fischen über die Gänse zu den Wölfen

Er mache auf ihn den Eindruck eines "jungen Adlers", schrieb kein Geringerer als Konrad Lorenz vor fast einem Vierteljahrhundert über Kurt Kotrschal und dessen "Forschertypus". Der Doyen der Verhaltenforschung schlug den damals 32-Jährigen für ein nachzubesetzendes Ordinariat für Zoologie an der Universität Wien vor. Die Stelle ging an einen anderen – und der 57-jährige Kotrschal ist nach wie vor kein ordentlicher, sondern nur ao. Professor.

Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, als Wissenschafter Ordentliches zu leisten – und zwar sowohl als Forscher wie auch als Wissenschaftsvermittler. Und eben dafür wurde Kotrschal nun von den Mitgliedern des Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres 2010" gewählt.

Nach dem Studium der Biologie – etwas anderes kam für den gebürtigen Linzer nie infrage -, das er mit einer Arbeit über die Gehirnstruktur einer Schleimfischart abschloss, forschte er zunächst in Salzburg und an der Universität Colorado in den USA, ehe ihn dort ein Ruf aus der Heimat ereilte. Nach dem Tod von Konrad Lorenz war die Leitung von dessen Forschungsstelle in Grünau im Almtal zu besetzen, und Kotrschal nahm an.

Seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten leitet der Verhaltensbiologe diese halbprivate Einrichtung, an der zunächst vor allem an Konrad Lorenz' Wappentier, der Graugans, geforscht wurde. Der streitbare Wissenschafter ("Konsens bedeutet Stillstand") hält dort bis heute das Erbe seines ehemaligen Mentors hoch – nicht ohne sich von Lorenz' brauner Vergangenheit und wissenschaftlichen Irrtümern ausdrücklich zu distanzieren.

Da in Grünau die Mittel immer knapp waren, entwickelte der verheiratete Vater zweiter erwachsener Kinder große Improvisationsfähigkeit im Aufstellen von privaten Geldern – und im "Verkaufen" seiner Forschung in den Medien, ohne freilich die innovativen Forschungen jemals zu kompromittieren.

Der jüngste Coup des Hundefreunds, der auch Präsident des Eurasier-Club-Austria ist ("für andere Hobbys ist keine Zeit"): die Gründung des Wolfsforschungszentrums in Ernstbrunn in Niederösterreich. Damit hat sich Kotrschal von den Fischen über Graugänse und Raben den evolutionären Stammbaum nach oben gearbeitet und ist nun bei den Vierbeinern gelandet – "weil Wölfe und Menschen in ihrem Sozialverhalten ganz ähnlich organisiert sind". (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 11.01.2011)