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Arjen Robben legt Sonderschichten ein, um wieder Arjen Robben zu sein. "Mein Traum ist, verletzungsfrei zu bleiben."

Foto: Oliver Lang/dapd

Sie sind extra aus Groningen angereist, aus der Stadt in den Niederlanden, wo die Profikarriere des Arjen Robben ihren Anfang genommen hat. Und nun stehen die drei jungen Männer enttäuscht am Rande des Übungsplatzes an der Säbener Straße. Der FC Bayern München trainiert, und alle sind sie da: Schweinsteiger, Müller, Klose, Lahm, van Bommel. Nur einer fehlt: Arjen Robben. "Verletzt", sagt der eine Holländer, "schon wieder" der andere. Der Dritte sagt gar nichts.

Auch wenn diese Szene bereits zehn Monate zurückliegt, steht sie stellvertretend für das Leben des Fußballers Arjen Robben. Worte wie "Diagnose", "Pause" oder "Comeback" begleiten ihn beharrlich. Seine Krankenakte liest sich wie ein stets wiederkehrender Albtraum. Knie- und Wadenverletzungen, Knochenbrüche, Leistenbeschwerden, Bänderrisse im Sprunggelenk und immer wieder muskuläre Probleme jeglicher Art: Zerrungen, Verhärtungen, Faserrisse. Seit der WM in Südafrika, zu der Robben bereits verletzt angereist war, hat er keine Minute spielen können - Diagnose: Muskelriss im Oberschenkel. Pause sechs Monate. Comeback womöglich am Samstag im ersten Rückrundenspiel beim VfL Wolfsburg.

Fahnenstangen

Rückblick auf sein erstes Jahr in der deutschen Bundesliga: Über Monate lässt Arjen Robben die Spiele wie Training und seine Gegenspieler wie Fahnenstangen aussehen. Im Dress des FC Bayern München gelingt dem schmächtigen Neuzugang nahezu alles, seine Treffer sind an Schönheit kaum zu überbieten. Das irrsinnige Tempo ist die Basis seines Spiels, gepaart mit einer brillanten Technik und einer wahnwitzigen Wendigkeit. Wobei man schon vorher weiß, wo er hin will. Denn sein Trick ist immer derselbe: Linksfuß Robben kommt mit dem Ball von rechts und irgendwann zieht er nach innen Richtung Tor. Das ist alles. Die entscheidende Frage: Wann zieht er nach innen? "Ich bin ein intuitiver Spieler. Ich weiß nie, wo es endet", sagt Robben. Es endet oft im Tor.

"Es ist wie im Traum", sagt er, als klar ist, dass die Münchner nach dem Meistertitel, dem Triumph im Pokal sogar im Endspiel der Champions League stehen. Und auch wenn das Finale später 0:2 gegen Inter verlorengeht, ist es die beste Saison, die Robben je gespielt hat. Hinzu kommen die Ehrung zum Fußballer des Jahres und die Vize-Weltmeisterschaft mit den Niederlanden. Wieder aber gibt es eine andere Bilanz: Das rechte Knie schmerzt, muss operiert werden. Fast zwei Monate setzt Robben durchgängig aus. Es folgen Wadenprobleme und schließlich der Muskelriss kurz vor WM-Beginn. Auch das ist die Wirklichkeit des 26-Jährigen.

Robben ist tatsächlich erst 26 Jahre alt, im besten Fußballalter also. Doch er sieht viel älter aus. Vielleicht liegt es an den schütteren Haaren. "Auf meine etwas lichte Frisur werde ich oft angesprochen", sagt er, "die Leute denken immer, dass ich schon weit über 30 bin."

Risikogeschäft

"Er ist einer der besten Einkäufe, die der FC Bayern jemals gemacht hat", war sich Franz Beckenbauer, der einstige Präsident und heutige Ehrenpräsident des Klubs, seiner Sache schnell sicher. Doch das Risiko, das der deutsche Rekordmeister mit Robbens Verpflichtung eingegangen ist, ist nach wie vor groß. Fast 25 Millionen Euro Ablöse und vier Jahre Vertrag für einen Spieler, der in den letzten acht Jahren keine Saison verletzungsfrei geblieben ist. "In Eins-gegen-eins-Situationen ist Arjen einer der Besten der Welt", ist auch sein ehemaliger Chelsea-Coach, José Mourinho, heute bei Real Madrid, voll des Lobes. Einen kleinen Zusatz kann sich der Portugiese aber dennoch nicht verkneifen: "Robben ist unglaublich, grandios und fantastisch - wenn er denn fit ist."

Trotz zweier Meisterschaften an der Londoner Stamford Bridge begann dort sein körperlicher Verfall. Bereits in der Vorbereitung zu seiner ersten Saison bricht er sich den rechten Mittelfußknochen, kaum ist er genesen, bricht er sich den linken Mittelfuß. In drei Jahren beim FC Chelsea verpasst er mehr als ein Drittel aller Spiele. Und auch die Liaison von Robben und Real Madrid klingt wie ein großes Missverständnis. 2007 zahlen die Spanier rund 36 Millionen Euro nach London. In der ersten Saison kommt der Holländer - wieder verletzungsbedingt - allerdings nur in acht Partien über 90 Minuten zum Einsatz. Allein in den beiden Spielzeiten bei Real laboriert er an sechs Verletzungen. Immerhin wird er im zweiten Jahr Stammspieler und spanischer Meister. Dann verpflichtet man den Portugiesen Cristiano Ronaldo für seine Position. "So kann ich mich natürlich nicht weiterentwickeln."

Zurückhaltung

Holländischer, englischer, spanischer und deutscher Meister ist er bereits. Ob in diesem Jahr ein weiterer Titel hinzukommt, ist fraglich. Auch Robben, auf dem nun alle Hoffnungen ruhen, dass die bislang katastrophale Bayern-Saison doch noch ein versöhnliches Ende nimmt, bleibt zurückhaltend. "14 Punkte auf Spitzenreiter Dortmund sind zu viel, es liegt nicht in unserer Macht."

Das Training des FC Bayern läuft noch an der Säbener Straße. Die drei Holländer sind geblieben und werden belohnt. Denn Robben kommt doch noch. Wo er auftaucht, bildet sich eine Traube. Er ist das Zentrum. Auf dem Platz, wenn er wieder einmal getroffen hat und seine Kollegen ihn beglückwünschen. In den sogenannten Mixed Zones, wo Journalisten fragen und Spieler antworten. Am Rande des Trainingsgeländes, wo die Fans Stifte, Zettel und Fotoapparate bereithalten und er nun Halt macht, um Autogramme zu schreiben. Doch Zeit hat Robben nur wenig. "Ich muss zur Behandlung", sagt er knapp und winkt. Einer seiner Fans winkt zurück, dann ruft er: "Pass auf dich auf, Arjen." (Oliver Lück aus München, DER STANDARD Printausgabe 10.01.2010)