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Wien/Klagenfurt - In einen der größten Wirtschaftskrimis der Zweiten Republik könnte bald ein wenig Licht kommen: Am Dienstag startet der Megaprozess gegen den Kärntner Finanzzampano Wolfgang Auer-Welsbach, der sich unter anderem wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs und Untreue vor Gericht verantworten muss. Er soll über sein Firmenkonglomerat AvW mit Sitz in Krumpendorf am Wörthersee fast zwei Jahrzehnte lang mehr als 13.000 Genussscheininhaber geprellt haben. Davon haben sich rund 8.500 mutmaßlich Geschädigte dem Strafverfahren angeschlossen. Laut Anklage soll Auer-Welsbach einen Schaden von mindestens 420 Mio. Euro angerichtet haben. Er will sich in allen Anklagepunkten für nicht schuldig bekennen. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Auer-Welsbach sitzt bereits seit April in Klagenfurt in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegen ihn erhoben hat, wiegen schwer. Der Sohn eines Holzhändlers soll jahrelang Vermögen verschoben und den Kurs der AvW-Aktie manipuliert haben. Richter Christian Liebhauser-Karl dürfte auch interessieren, warum nur sieben Prozent der AvW-Genussscheine an der Frankfurter Börse gehandelt wurden und wie der Kurs der Papiere zustande kam.

Für Gutachter Fritz Kleiner, auf dessen Expertise sich die 458 Seiten starke Anklageschrift stützt, war das AvW-Genussscheinsystem schlicht eine "Abzocke" bzw. ein "kapitalmarktorientiertes Perpetuum mobile", das vor allem darauf basiert habe, dass den Anlegern stets versichert worden sei, sie würden ihre Gewinne bei Bedarf in bar ausgezahlt bekommen. Die Gewinnerwartung der Papiere zwischen 12 und 18 Prozent bezeichnete Kleiner als "zu jedem Zeitpunkt unrealistisch".

Schwerer Betrug

Die Anklage lastet Auer-Welsbach gewerbsmäßigen schweren Betrug an, hieraus soll den Anlegern ein Schaden von rund 270 Mio. Euro entstanden sein. Hinzu kommt der Vorwurf der Untreue; der Schaden aus diesem Delikt für die Anleger und die AvW-Gesellschaften wird mit 150 Mio. Euro beziffert. Weiters wird Auer-Welsbach, geborener Schurian, die "unrichtige Wiedergabe, Verschleierung oder Verschweigung der Verhältnisse der AvW-Gesellschaften gegenüber der Öffentlichkeit, den Gesellschaftern oder Prüfern" sowie der Verstoß gegen die Prospektpflicht angelastet. Auch der Vorwurf der Beweismittelfälschung wird gegen ihn erhoben, da Auer-Welsbach ein Schreiben der AvW-Managementbeteiligungs AG rückdatiert haben soll, wie es in einer Mitteilung des Klagenfurter Landesgerichts heißt.

In der Causa AvW sind mehr als 120 Anlegeranwälte aktiv. Die Staatsanwaltschaft hat die Einvernahme von mehr als 40 Zeugen beantragt. Es könnten noch bis zu 50 weitere hinzukommen, denn Auer-Welsbach hat am Montag ein 240-Seiten-Schriftstück eingebracht, in dem er ausführt, warum er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könne und 50 Personen (u. a. Mitarbeiter von Finanzmarktaufsicht FMA und Finanzamt) nennt, die dies angeblich bezeugen können.

Die Hauptverhandlung beginnt am 11. Jänner um 9:30 Uhr, wobei die beteiligten Anleger und ihre Anwälte aus organisatorischen Gründen schon für 8:00 Uhr geladen sind. Für die ersten beiden Verhandlungstage (Dienstag und Mittwoch) ist nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Vernehmung des Angeklagten vorgesehen. Auch der Sachverständige Kleiner wird nach Gerichtsangaben anwesend sein. Am Donnerstag (13. Jänner) wird dann ab 9:00 Uhr in der Früh der erste Zeuge, Arnulf Komposch, von März 2009 bis Ende April 2010 AvW-Vorstand, einvernommen. Komposch war vor seinem AvW-Engagement Konsumentenschutz-Sektionschef im Sozialministerium und hat Auer-Welsbach ans Messer geliefert: Kurz, nachdem er bei den Ermittlern auspackte, klickten für den AvW-Boss am 23. April 2010 die Handschellen, wenige Tage später mussten die AvW-Gesellschaften Konkurs anmelden.

Prozessverlauf

Weiter geht es dann am 17. Jänner, für den fünf mit der Genussscheinvermittlung befasste Zeugen geladen sind. Geschädigte werden erstmals am Nachmittag des 17. Jänner und dann am 19. Jänner einvernommen. Der Prozess könnte sich über Monate ziehen. Derzeit wird von 30 Verhandlungstagen ausgegangen.

Für Dienstag wird ein großer Ansturm erwartet, eigene Räumlichkeiten wurden aber entgegen ursprünglicher Pläne nicht angemietet. In den Schwurgerichtssaal passen 140 Personen. Die Anlegeranwälte können die Verhandlung in einem Nebenraum per Video verfolgen.

Auer-Welsbach gibt die Schuld am Crash des Genussscheinsystems im Oktober 2008 nach wie vor seinem ehemaligen Prokuristen, der in der Vergangenheit alle Vorwürfe bestritten hatte. Durch dessen "Machenschaften", so Auer-Welsbachs Anwalt Michael Sommer, sei ein Fehlbetrag von 50 Mio. Euro entstanden, wodurch letztendlich AvW die Genussscheine nicht mehr zurücknehmen habe können. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt und Gutachter Kleiner indes sehen "keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Zusammenbruch des AvW-Genussscheinsystems" und "allfälligen" Malversationen des Prokuristen.

Die AvW hat im Oktober 2008, kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise, die Rücknahme der Genussscheine eingestellt. Seitdem sitzen mehr als 13.000 Anleger auf ihren Papieren. Sie werden wohl nur einen geringen Teil ihres Investments wiedersehen. Die AvW-Masseverwalter Gerhard Brandl und Ernst Malleg wollen zwar aus der Liquidierung des verbliebenen Vermögens rund 100 Mio. Euro Erlös erzielen, rund 46 Mio. Euro an Aktienpaketen in Händen der AvW sind aber an die Grazer Capital Bank verpfändet. Ob nun die Bank oder die Anleger ein Anrecht auf den Erlös haben, muss erst geklärt werden.

Bisher haben die Masseverwalter via Versteigerungen knapp 77 Mio. Euro eingetrieben: 34 Mio. Euro brachte ein RHI-Aktienpaket, der C-Quadrat-Anteil der AvW ging für 17,9 Mio. Euro weg, für Anteilsscheine von Binder+Co kamen 16 Mio. Euro herein. Weiters hat eine 100 Kilo schwere Goldmünze ("Maple Leaf") für 3,3 Mio. Euro einen neuen Besitzer gefunden, auch Auer-Welsbachs Villa am Wörthersee samt Grundstück sowie sechs Autos und zwei Skulpturen (ein Bulle und ein Bär) sind unter den Hammer gekommen. Feilzubieten haben die Masseverwalter jetzt noch kleinere Immobilien, Beteiligungen an deutschen IT-Unternehmen sowie Aktien von Hirsch Servo (11 Prozent) und S&T (knapp 30 Prozent). Letztere dürften schwer loszubekommen sein, denn um S&T steht es derzeit nicht besonders rosig: Am 30. Dezember musste das Unternehmen eine Gewinnwarnung für das vierte Quartal aussprechen. Auer-Welsbachs hatte mehrmals scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Masseverwalter geübt, die Beteiligungen seien zu früh und zu billig verkauft worden.

Im AvW-Insolvenzverfahren wird von einem Schaden von etwa 350 Mio. Euro ausgegangen, wie Masseverwalter Brandl sagte. Aufgrund eines Finanzverfahrens könnten noch weitere 50 Mio. Euro dazukommen. (APA)