Berlin - Im Skandal um mit Dioxin verseuchtes Tierfutter gibt es in Deutschland neue Vorwürfe gegen den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch. Wie das Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Samstagsausgabe) unter Berufung auf das niedersächsische Landwirtschaftsministerium berichtet, besteht der Verdacht des Betrugs und der Steuerhinterziehung. Der Verband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) forderte eine Kennzeichnung unsauber arbeitender Betriebe.

Ministeriumssprecher Gert Hahne sagte dem "Westfalen-Blatt", vieles spreche dafür, dass das Unternehmen seine Kunden betrogen und minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet habe. Für eine Tonne Industriefett habe die Firma lediglich 500 Euro erlösen können, für eine Tonne Futterfett hätten die Kunden aber 1000 Euro bezahlen müssen. Hier liege der Verdacht der falschen Rechnungsstellung und somit der Steuerhinterziehung nahe.

Noch unklar war demnach der Zeitraum der Machenschaften. Das Tochterunternehmen von Harles und Jentzsch, die Spedition Lübbe im niedersächsischen Bösel, habe ihren Betrieb im Jahr 2005 aufgenommen. Jetzt müsse geprüft werden, seit wann bei der Spedition illegal Futterfett gelagert und hergestellt worden sei, das nicht für Tierfutter geeignet war.

Gegen die Geschäftsführer von Harles und Jentzsch sowie der Spedition Lübbe ermitteln die Staatsanwaltschaften Itzehoe und Oldenburg wegen Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Bei Durchsuchungen seien Unterlagen der vergangenen fünf Jahre sichergestellt worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Ralph Döpper, dem "Westfalen-Blatt".

Am Pranger

Der BVLK-Vorsitzende Martin Müller sagte der "Frankfurter Rundschau" vom Samstag, durch eine öffentliche Kennzeichnung unsauber arbeitender Firmen würden diese "angespornt, sich zu bessern". Er berief sich auf eine Statistik, wonach in Deutschland "75 Prozent der Betriebe einwandfrei, die restlichen 25 Prozent weniger" sauber arbeiteten.

Bei der Lebensmittelüberprüfung vermisse er zudem "mehr Kontrolleure" und "einheitliche Regeln". Noch immer habe jede Kommune unterschiedlich viele Prüfer, sagte Müller. Im Gespräch mit der "Welt" (Samstagsausgabe) sagte er zudem, bei den Kontrolleuren fehle der Nachwuchs. Grund dafür sei das zu geringe Gehalt. Nach Angaben des BVLK sind derzeit 2500 Kontrolleure für 1,1 Millionen Betriebe zuständig. Auch der Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag, Hans-Michael Goldmann (FDP), forderte im "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe) ein neues Kontrollsystem. Es reiche nicht, die Betriebe zu kontrollieren, auch der weitere Weg der Futtermittel müsse verfolgt werden.

Der Dioxin-Skandal hatte sich am Freitag erneut ausgeweitet. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will sich am Montag mit Futtermittelherstellern und landwirtschaftlichen Verbänden treffen, um über Konsequenzen aus dem Skandal zu beraten. EU-Verbraucherkommissar John Dalli sprach von einer "sehr guten Zusammenarbeit" mit den deutschen Behörden.

Südkorea verhängte unterdessen ein Importverbot für deutsches Fleisch. Der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe) zufolge wurde sogar bereits versendete Ware wieder zurückgeschickt. Frankreich etwa hat nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums bislang "keinen Hinweis" auf Dioxin-belastete Produkte. (APA/AFP)