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Bruno Kreisky - Die politische Laufbahn.

Grafik: DER STANDARD; Quelle: APA

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Bruno Kreisky 1986, bei einer Veranstaltung des damaligen Präsidentschaftskandidaten Kurt Steyrer.

Die Journalisten knieten vor ihm, stilisierten ihn zum Sonnenkönig und verloren jeden kritischen Blick für die linke Politik.

Die Frauen verdanken ihm viele Chancen, die sie vorher nicht hatten.

Foto: APA/Michael Leckel

Die treuesten Wähler der SPÖ sind eigentlich Wählerinnen - genauer: Frauen im Pensionsalter. Sie halten einem Mann die Treue, der vor bald 28 Jahren aus der Politik ausgeschieden ist (nicht ohne das eine oder andere Mal grollend die späteren Entwicklungen zu kommentieren) und der heute noch für die Modernisierung Österreichs steht: Bruno Kreisky hat mit seiner Kanzlerschaft eine Ära geprägt, die gern als Maßstab für aktuelle Entwicklungen herangezogen wird.

Dass sie bei den älteren Österreichern als so markant in Erinnerung geblieben ist, hängt mit der Zeit unmittelbar vor Kreiskys Regierungsantritt 1970 zusammen: Da hatte nach zwei Jahrzehnten großer Koalition, in der sich Kreisky als Außenpolitiker engagiert hatte (ab 1953 als Staatssekretär, von 1959 bis 1966 als Außenminister), die ÖVP die absolute Mehrheit im Parlament - es waren vier gesellschafts- wie wirtschaftspolitisch konservativ geprägte Jahre.

Und während 1968 weltweit die Studentenunruhen, der Prager Frühling und dessen Niederschlagung durch die realsozialistischen Nachbarländer sowie der Vietnamkrieg Schlagzeilen machten, trimmte Kreisky die SPÖ zu einer modernen Partei.

Auf dem Parteitag 1967 hatte der Großbürgersohn aus jüdischem Hause die Führung der nach Olah-Krise und Wahlniederlage 1966 geschwächten Sozialisten übernommen - sein Vorgänger Bruno Pittermann hatte vergeblich versucht, Hans Czettel zum Parteichef zu machen. Kreisky suchte und fand die Verbindung zu den ihm zunächst kritisch gegenüberstehenden Gewerkschaftern - das Volksbegehren für die 40-Stunden-Woche mobilisierte die damals vor allem männlichen Arbeitnehmer.

Kreisky aber hatte die Vision, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Viele Frauen haben ihm das bis heute nicht vergessen - die jungen Frauen von damals sind die Pensionistinnen von heute, die SPÖ wählen: Sie haben durch ihn Lebenschancen bekommen, nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch durch die Straffreistellung der Abtreibung und durch Kreiskys Reformen im Steuer- und Familienrecht.

Um diese Reformen auf den Weg bringen zu können, musste Kreisky erst einmal eine parlamentarische Mehrheit finden. Nachdem ihn die eigene Partei - die ihn noch in den späten Vierzigerjahren lieber im schwedischen Exil belassen wollte, um nicht wie in der ersten Republik als zu judenfreundlich zu gelten - akzeptiert hatte, musste er Mehrheiten suchen, die sich nicht allein auf die schon damals schrumpfende Arbeiterschaft und die eingefleischten Sozialisten stützten.

Da half der liberale Hintergrund sehr: Kreisky war als Mittelschüler mit der Sozialdemokratie in Kontakt gekommen, hatte sich während des Jusstudiums, das er 1929 auf Anraten Otto Bauers begonnen hatte, für die Partei engagiert, war verhaftet, verurteilt und unter den Nazis 1938 schließlich vertrieben worden - mit seinen Eltern konnte er nach Schweden emigrieren. In dieser Zeit fand er seine Abgrenzung zu den Kommunisten - was ihn für viele Bürgerliche 1970 wählbar machte.

"Ein Stück des Weges gemeinsam gehen" war die Formel, die er reformbereiten Konservativen angeboten hatte. Dass er diese Reformen ausgerechnet mit Unterstützung der Freiheitlichen umgesetzt hat, zeugt von politisch-diplomatischem Geschick: Der schwächelnden FPÖ bot er eine existenzsichernde Wahlrechtsreform, in seinem Kabinett waren stets geläuterte Ex-Nazis vertreten.

Kreisky setzte auf Offenheit und Wandlungsfähigkeit. Das lohnte bei der Wahl 1970 und noch mehr 1971, als er unter anderem mit der Wehrdienstzeitverkürzung gewann: "Sechs Monate sind genug" hatte die SPÖ 1970 versprochen, Gesetz wurde das erst unter Norbert Darabos fast vier Jahrzehnte später. Kreisky (der zwischenzeitlich auch kurz das Verteidigungsministerium zur Kanzlerschaft dazugenommen hatte) punktete aber auch mit der Formel "sechs plus acht Monate", die das Milizsystem brachte.

Zwei Strafrechtsreformen überließ er dem Linken Christian Broda - während er selbst damit glänzte, die Politik mediengerecht zu verkaufen. Er war der erste Politiker, der verstanden hat, dass Fernsehen mehr als gesprochenes Radio war. Während andere Politiker gebannt in die Kamera starrten, spielte Kreisky mit seiner Brille - und leitete jedes Statement mit der Formel "Ich bin der Meinung" ein. 100 Prozent Wiedererkennungswert und dazu ein sehr hoher Sympathiewert.

Sympathiebekundungen bekam Kreisky auch dafür, dass er stets jungen Journalisten mit Aufmerksamkeit begegnete, ihnen in Einzelgesprächen und beim von ihm eingeführten Pressefoyer nach dem Ministerrat Rede und Antwort stand. Auch bürgerliche Journalisten knieten vor ihm nieder und verloren den kritischen Blick. So wurde über seine Schuldenpolitik ebenso wie über seine Atompolitik hinweggesehen - und seine Außenpolitik, die auch umstrittene Figuren wie Jassir Arafat und Muammar Gaddafi salonfähig machte, hochgelobt.

13 Jahre lang ging das gut.

1983 aber verlor Kreisky die absolute Mehrheit. Er dankte ab, in Regierung, Parlament und Partei. Gelegentlich murrte er über die Nachfolger, seinem Andenken hat aber auch das nicht geschadet. (Conrad Seidl, DER STANDARD-Printausgabe, 8./9.1.2011)