EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat die "Zweifel" seiner Behörde an der Vereinbarkeit des neuen ungarischen Mediengesetzes mit dem EU-Recht bekräftigt. Vor Journalisten forderte er am Mittwoch in Brüssel Regierungschef Viktor Orban zu einer "Klärung" auf. "Ich hätte gerne von den ungarischen Stellen eine Klärung der Lage und möglicherweise die Beseitigung dieser Zweifel, die bestehen", sagte Barroso.

Der Kommissionspräsident redet am Freitag in Budapest mit Orban: Ungarn hat zum Jahresanfang für sechs Monate den turnusmäßigen Ratsvorsitz in der EU übernommen. Die Kommission prüft, ob das im Dezember beschlossene Mediengesetz die Pressefreiheit unerlaubt einschränkt. Das Gesetz war unter anderem wegen der Schaffung des Medienrates, das ausschließlich mit Persönlichkeiten besetzt ist, die Orbans rechtskonservativer Regierungspartei Fidesz nahestehen, von anderen EU-Regierungen scharf kritisiert worden.

"Wir befinden uns noch nicht im Vertragsverletzungsverfahren"

"Wir befinden uns noch nicht im Vertragsverletzungsverfahren", sagte Barroso zur rechtlichen Prüfung durch die EU-Kommission. "Es gibt hier wichtige politische und auch rechtliche Fragen, die mit großer Sorgfalt geklärt werden müssen." Er könne das Ergebnis der Kommissionsuntersuchung nicht vorwegnehmen. "Wir gehen davon aus, dass alle Mitgliedstaaten die Grundprinzipien der EU und die Rechtsstaatlichkeit respektieren. Sofern es kein Zeichen für einen Verstoß gibt, nehmen wir das als selbstverständlich an."

"Die Pressefreiheit ist ein heiliges Prinzip" der Europäischen Union, sagte Barroso. "Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass Pressefreiheit in der EU ein Grundprinzip und ein Grundwert ist." Die EU-Kommission unternehme alles, "gemeinsam mit den Behörden eines Mitgliedslandes die Lage zu klären und Zweifel zu beseitigen, die bestehen können", formulierte Barroso.

Ein Sprecher der Kommission sagte, die Behörde habe am Mittwoch die 194 Seiten starke englische Übersetzung des ungarischen Mediengesetzes erhalten: "Wir können jetzt unsere juristische Analyse beginnen." Diese Prüfung werde "mehrere Monate" dauern. Dieser Zeitraum sei nötig, um "die Glaubwürdigkeit als Hüterin der Verträge zu behalten". (APA)