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Alexander Pointner will keine Leichtgewichte, sondern Athleten formen.

Foto: APA/Parigger

Bischofshofen - Wellenreiten und Skispringen haben mehr gemeinsam, als man glauben möchte. Sagt Alexander Pointner, der österreichische Cheftrainer (im Skispringen). Bei viel Wind greift der Surfer eher auf ein kürzeres Brett zurück, es liegt mit weniger Fläche auf dem Wasser auf, ist also geringerem Widerstand ausgesetzt, kommt eher und vor allem besser ins Gleiten. Und wenn man jetzt das Wasser durch die Luft ersetzt und das eine Brett in zwei Bretter teilt, dann ist man schon beim Skispringen - Gegend und Temperatur lassen wir einmal außer Acht. Kürzere Ski tragen also vielleicht genauso weit oder weiter als längere Ski? "Gut möglich", sagt Pointner.

Schuld ist die neue Bindung. Vor einem Jahr verhalf sie Simon Ammann zum Doppel-Olympiasieg, ergo hüpften die anderen Nationen nach. Der Fersenteil der Bindung wird nicht mehr durch ein Band, sondern durch einen Stab gehalten, die Ski können flacher geführt werden, bieten dem Wind mehr Fläche, müssen nicht mehr zwingend möglichst lange sein. Weil die Länge, siehe Surfen, nicht nur Auftrieb bedeutet, sondern auch Widerstand, Geschwindigkeitsverlust.

Die Österreicher David Zauner und Gregor Schlierenzauer sowie der Finne Ville Larinto haben sich in diesem Winter mehr oder weniger schwer am Knie verletzt. Mit der neuen Bindung, auch wegen der neuen Bindung? Pointner: "Dass das mit der alten Bindung nicht passiert wäre, kann man jedenfalls nicht behaupten." Allerdings verfügt die neue Bindung über kein Gütesiegel, anders als die alte, an deren Entwicklung einst auch Pointner selbst mitgewirkt hat.

Schlierenzauer jedenfalls ist wieder zur alten Bindung zurückgekehrt, um auf Nummer sicher zu gehen. Pointner kann nicht sagen, "ob es dabei bleibt". Jedenfalls lassen sich jene Springer, die noch "verbandelt" sind, an einer Hand abzählen. Schon deshalb wird der internationale Verband (Fis) die neue Bindung nicht wieder verbieten. Vielleicht müssen Hersteller künftig gewisse Sicherheitskriterien erfüllen. Prinzipiell werden solche Kriterien erst erstellt, wenn eine Neuentwicklung längst im Einsatz ist. Pointner: "Man braucht halt Erfahrungswerte. Und im Spitzensport geht's primär darum, eine Leistungssteigerung zu erzielen. Erst dann geht es um Sicherheit."

Oder auch um Gesundheit. Schließlich haben die kürzeren Ski, mit denen sich nun vielleicht dieselben Weiten erzielen lassen, einen Nebeneffekt. Der Springer, dem seit geraumer Zeit ein gewisser Body-Mass-Index (20,5 inkl. Kleidung) vorgeschrieben ist, kann es sich nun leisten, wieder weniger Gewicht auf die Waage zu bringen. Schließlich tangiert es ihn kaum, wenn er wie bisher, weil er zu leicht war, mit kürzeren Skiern springen muss.

Die Tendenz im Skispringen könnte wieder Richtung Hungern gehen oder bereits gegangen sein. Pointner hat im Sommer "gemerkt, was es geschlagen hat". Bei den Mattenspringen sieht man die Skispringer manchmal mit nackten Oberkörpern, das kann in einigen Fällen schon erschreckend sein. Der deutsche Extrainer Wolfgang Steiert äußerte die Vermutung, dass einige Springer die Grenze zur Magersucht schon über-, eigentlich unterschritten hätten. Pointner: "Der Wolfgang hat ein geschultes Auge. Da ist schon etwas dran."

Die Österreicher, sagt Pointner, sind keine Federn. "Ich wollte stets ausgewogene Athleten formen." Der beste dieser Athleten ist Thomas Morgenstern, der am Donnerstag (16 Uhr, ORF1) in Bischofshofen mit großem Vorsprung ins Dreikönigsspringen geht. Es ist zu erwarten, dass sich Morgenstern an Wolfgang Loitzl und Andreas Kofler orientiert und den dritten ÖSV-Tourneegesamtsieg in Folge checkt. Die Erfolgswelle will gesurft werden. (DER STANDARD PRINTAUSGABE, 5.1. 2011)