Budapest - Die seit Jahresbeginn mit ungewöhnlich starken Vollmachten ausgestattete Medienregulierungsbehörde NMHH hat ein Verfahren gegen den privaten Fernsehsender RTL Klub eingeleitet. Die Behörde beanstandet, dass die ungarische RTL-Tochter im Oktober des Vorjahres "reißerisch" und auf "für jugendliche Seher schockierende" Weise über einen brutalen Brudermord in einem südungarischen Dorf berichtet hätte, meldeten ungarische Medien am Dienstag. Zur "Störung der Ruhe selbst erwachsener Fernsehzuschauer" hätte außerdem beigetragen, dass eine blutbefleckte Matratze im Bild zu sehen gewesen sei.

Der Sender, eine Tochter der deutschen RTL, wies die Anschuldigungen zurück. Man habe unter genauer Abwägung des Zumutbaren über den Fall berichtet, den auch zahlreiche andere Medien aufgegriffen hatten. Dabei habe man sich auf die Informationen eines Polizeisprechers gestützt, hieß es in einer Erklärung des Senders. Der Täter hatte seinen Bruder im Dorf Nagymanyok im Streit mit der Axt erschlagen und anschließend zerstückelt.

Sanktions- und Durchgriffsrechte

Die NMHH verfügt seit Jahresbeginn über umfassende Sanktions- und Durchgriffsrechte gegen alle Medien des Landes, die ihrer Ansicht nach gegen das umstrittene neue Mediengesetz verstoßen. Fernsehsender wie RTL Klub können mit Geldstrafen von umgerechnet bis zu 900.000 Euro belegt werden. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das Regelwerk gegen die in den EU-Verträgen niedergelegten Grundrechte verstößt. Nach Ansicht von Kritikern führt es wegen seiner vagen Vorgaben und der darin enthaltenen Vollmachten für die von regierungsloyalen Beamten geführte Regulierungsbehörde zur Selbstzensur in den Medien.

In dieser Einschätzung sehen sie sich auch durch das jüngste Verfahren gegen RTL Klub bestätigt. In der weiteren Begründung für dessen Einleitung hielt die zuständige "Hauptabteilung für Inhalte- Überwachung" fest: "Das (beanstandete) Programmstück repräsentiert auf treffliche Weise die Boulevardisierung der Nachrichtensendungen, jenen Prozess der letzten Jahre, in dessen Gefolge sich die privaten und öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen von der Dokumentierung der Geschehnisse des politischen Lebens und von der Erörterung der die Gesellschaft betreffenden Fragen und Probleme bewusst entfernt haben." RTL Klub zeigte sich in seiner Antwort darüber befremdet, wie eine derartige Argumentation Platz in einem medienrechtlichen Verfahren haben könne.

Zuvor hatte die NMHH bereits ein Verfahren gegen einen kleinen privaten Radio-Sender eingeleitet. Dem "Tilos Radio" (Verbotenes Radio) wurde vorgeworfen, einen mit obszönen und gewaltverherrlichenden Ausdrücken gespickten Song des Gangster- Rappers Ice-T aus dem Jahr 1993 in den Nachmittagsstunden gesendet zu haben. (APA/dpa)