Stéphane Hessel: "Indignez vous!", Indigene 2010.

Coverfoto: Indigene

Paris - Mit 500.000 verkauften Exemplaren ist ein drei Euro teures und 32 Seiten kurzes Bändchen in Frankreich zum Überraschungsbestseller avanciert. Geschrieben hat "Indignez-vous!" ("Empört euch!") der 93- jährige frühere Resistance-Kämpfer Stéphane Hessel. "Die Grundmotivation der Resistance war die Empörung. Wir, die Veteranen der Widerstandsbewegung, rufen die jüngeren Generationen dazu auf, das Erbe der Resistance und ihre Ideale zu leben und weiterzugeben. Wir sagen ihnen: Nehmt das Steuer in die Hand und empört euch!", schreibt der 93-jährige Holocaust-Überlebende und frühere UNO-Botschafter.

Stéphane Hessel wurde 1917 in Berlin als Sohn des jüdisch-deutschen Schriftstellers Franz Hessel geboren und ist seit 1939 französischer Staatsbürger. 1941 schloss er sich der Resistance an, 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. Auf einem Gefangenentransport gelang ihm 1945 die Flucht. Nach Kriegsende wurde er Frankreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York. Hessel ist der einzige noch lebende Mitautor der Charta der Menschenrechte von 1948.

Genügend Gründe zur Empörung

Jetzt, "wo das Ende naht", wendet sich der glühende Sozialdemokrat an die Jugend. Er will ihr helfen, herauszufinden, worüber man sich empören sollte. Das sei unter den heutigen, komplexen Verhältnissen ungleich schwieriger als zu Zeiten der Nazis und der nachfolgenden Entkolonialisierung. In Frankreich nennt er die Politik von Präsident Nicolas Sarkozy, die Immigrantenfeindlichkeit, die Einsparungen bei der Rentenreform und die "unverschämte" Macht des Geldes und seiner Diener.

Weltweit prangert er "die Diktatur der Finanzmärkte" an und die Schere zwischen Armen und Reichen, die sich immer weiter öffnet. Die Blockade des Gazastreifens bezeichnet Hessel als das, was ihn am meisten empört. Hessels Werk wurde am 20. Oktober 2010 in 8.000 Exemplaren vom kleinen südfranzösischen Verlag Indigene zum moderaten Preis von drei Euro veröffentlicht. Im Moment ist die 11. Auflage in Druck, "das macht 800.000 Exemplare!", freut sich die Verlegerin Sylvie Crossman.

Und der Erfolg beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Frankreich. Anfragen für Übersetzungen trudeln aus ganz Europa ein, aber auch aus den USA und Südkorea. (APA/red)