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Partei oder Gewerkschaft? In der ÖVP wird die Loyalität Fritz Neugebauers hinterfragt. Aus Kärnten wird ihm bereits der Rücktritt nahegelegt. Andere wollen ihn noch umstimmen.

Foto: APA/Schlager

Wien - "Das Signal ist für die ÖVP verheerend": Der schwarze Abgeordnete Ferdinand Maier ist, gelinde gesagt, "irritiert" über seinen Kollegen Fritz Neugebauer. Da kämpfe man um ein Image als Reformpartei - und dann steige einer aus den eigenen Reihen scharf auf die Bremse. "Eine sonderbare Darbietung", urteilt Maier: "Neugebauer lässt sich von seiner Interessengruppe treiben."

Was Maier ärgert, ist Neugebauers Doppelspiel rund um das Budget. Im Parlament hatte der oberste Beamtengewerkschafter dem Sparpaket noch zugestimmt, und zwar ohne - wie ÖVP-Abgeordnete wie Maier oder Michael Ikrath erzählen - seinen Unmut in den Klubsitzungen zum Budget zu artikulieren. Nun will er Teile desselben via Verfassungsklage zu Fall bringen. Besonders pikant: Die ÖVP hatte stets beklagt, die SPÖ habe mutigere Einschnitte im Pensionssystem verhindert. Plötzlich ist es einer der ihren, der ein Abspecken der Hacklerfrühpension hintertreibt.

"Schwer nachvollziehbar"

Für "schwer nachvollziehbar" hält das selbst der stets zurückhaltende ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf. Andere schwarze Politiker sind deutlicher. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer siedelt Neugebauers Haltung "vollkommen neben der Bevölkerung" an: Wer als Parlamentarier Ja gesagt habe, könne sich "nicht im Nachhinein die Rosinen herauspicken, da hört sich der Gurkenhandel auf". Kärntens ÖVP-Chef Josef Martinz legt Neugebauer sogar den Rücktritt nahe: "Mit seiner Verfassungsklage brüskiert er die Reformkräfte in der ÖVP." Neugebauer möge sich deshalb überlegen, ob er seine Funktion nicht an jüngere Leute übergibt, die auf Reformen angewiesen seien, damit das Pensionssystem auch in Zukunft funktionsfähig bleibe, sagt Martinz.

Auch wenn Klubchef Kopf kalmiert ("solange wir keine anderen Probleme haben"), heißt es hinter vorgehaltener Hand: Die Rücktrittsempfehlung sei in der Partei sicherlich keine Einzelmeinung. Nicht erst seit der jüngsten Volte teilen aktive Schwarze die Meinung von Altobmann Erhard Busek: "Neugebauer gehört nicht mehr ganz in diese Zeit."

Ärger über Rollenverständnis

Neugebauer vernimmt derartige Urteile nicht zum ersten Mal. In den 14 Jahren als Chef der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) hat er sich den Ruf als "Betonierer", "Neinsager" oder "vorzeitlicher Dickhäuter" - wie er in den Medien tituliert wird - hartnäckig erarbeitet. Wann immer sich Regierende erdreisten, am Pensionssystem herumzudoktern, Beamtenprivilegien zu beschneiden oder Lehrern mehr Arbeitszeit aufzubrummen, stellt sich Neugebauer breitbeinig in den Weg. Von Busek bis Claudia Schmied sind reformfreudige Unterrichtsminister vergeblich gegen den einstigen Hauptschullehrer und seine Verbündete angerannt. Zwischen den Amtszeiten der beiden liegen 15 Jahre - der Sieger der Machtkämpfe blieb derselbe: Neugebauer.

"Er vertritt immer nur den Standpunkt der Lehrer. Ich hätte aber gerne jemanden gehört, der auch einmal den Standpunkt der Eltern vertritt", sagt der Abgeordnete Maier. Ein anderer ÖVP-Mann, der nicht genannt werden will, ergänzt: "Neugebauer hat sich in erster Linie immer als Lobbyist der Beamten verstanden."

In der jüngeren Vergangenheit ist der Unmut über dieses einseitige Rollenverständnis gewachsen, auch in der eigenen Partei. Mitstreiter im Arbeitnehmerflügel ÖAAB, den Neugebauer ebenfalls angeführt hatte, sahen Ihresgleichen zum Anhängsel der Beamtenvertreter degradiert; der heute 66-jährige Wiener musste im Juni 2009 den Chefsessel räumen. Nun, nach der Budgetaffäre, werden Neugebauers Loyalitäten von Neuem hinterfragt. "Man sollte das Gespräch mit ihm suchen und ihn davon überzeugen, dass der von ihm angekündigte Weg der falsche ist", sagt der Abgeordnete Ikrath: "Klappt das nicht, muss sich Fritz Neugebauer überlegen, wo er sein Standbein und wo er sein Spielbein hat."

Allerdings wurde dem gewieften Taktiker schon öfters voreilig das "letzte Gefecht" (Die Zeit) prophezeit. Mit der Beamtengewerschaft steht hinter Neugebauer nun einmal eine der potentesten Sparten, die in der ÖVP eine Machtfaktor ist - und in den Augen seiner Klientel ist der Langzeitvorsitzende ein äußerst durchsetzungskräftiger Interessensvertreter. Zwar war nicht zu verhindern, dass Beamten peu à peu Vorrechte verlieren. Ein paar Extras hat er am Ende aber stets ins Trockene gerettet.

Im bedingungslosen Einsatz für seine Zielgruppe nimmt Neugebauer verbrannte Erde in Kauf - nicht nur jetzt, in der Debatte ums Sparpaket. Zu schwarz-blauen Zeiten hatte er lautstark gegen die Pensionsreform protestiert. Nach Zugeständnissen der Regierung für seine Beamten stimmte er im Nationalrat aber doch zu. Die Rache des rot dominierten Gewerkschaftsbundes: Neugebauer flog aus dem Vorstand. (Gerald John, Peter Mayr, DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2011)