London/Paris (APA/dpa/AFP) - Der mörderische Terroranschlag auf koptische Christen in Ägypten steht am Montag im Zentrum internationaler Pressekommentare:

"The Times" (London):

"Die Bomben von Alexandria lassen befürchten, dass die Terrororganisation Al-Kaida bei dieser entsetzlichen Tat ihre Hand direkt im Spiel hat. Bis jetzt hat es Al-Kaida nicht geschafft, sich im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt festzusetzen, weil dort die Muslimbruderschaft und andere islamische Oppositionsgruppen unterdrückt wurden. Es ist außerdem zu befürchten, dass die christliche Minderheit zum Sündenbock einer frustrierten Mehrheit der Muslime wird, die sich durch die kürzlichen Parlamentswahlen um ihre Stimme betrogen fühlt. Der Wahlbetrug, der der regierenden Partei eine unglaubwürdige Vierfünftelmehrheit gebracht hat, hat nur die Unzufriedenheit mit dem alternden Präsidenten Hosni Mubarak und seinem ehrgeizigen Sohn Gamal verstärkt."

"Le Figaro" (Paris):

"Die Terroristen von Al-Kaida haben es nicht geschafft, den ungläubigen Feind aus ihren Gebieten zu vertreiben, also zielen sie jetzt gegen diejenigen, die sie als Verbündete des verteufelten Westens betrachten. Mit diesem Angriff beweisen die Terroristen einmal mehr ihre Feigheit und ihre absurden Zielvorstellungen. Hundert französische Parlamentarier haben sich in einem Appell für die Christen in der arabischen Welt eingesetzt. Diese Initiative ist zu begrüßen. Man bewundert auch den Mut der Kopten in Ägypten, die diese Gewalt nicht als schicksalgegeben hinnehmen wollen. Es ist Aufgabe der Regierungen im Nahen Osten, ihre Minderheiten zu schützen. Doch es ist die Frage, ob ein politischer Wille dafür vorhanden ist."

"Libération" (Paris):

"Hass und Krieg, Angst und Gewalt haben in Alexandria und Bagdad schon ihr Werk vollendet. Der Niedergang der christlichen Gemeinden dort scheint von nun an unvermeidlich. Überall werden Christen herabgesetzt, bedroht und aufgefordert, zwischen dem Verzicht auf ihren Glauben, dem Tod oder dem Exil zu wählen. Wenn ihre massive Auswanderung anhält, dann könnten diese Christen ein ähnliches Schicksal erleben wie die Juden im Orient. Lange Zeit herrschte Schweigen. Merkwürdigerweise. Waren sie zu arabisch, um die Unterstützung des Westens zu erhalten - oder zu christlich, um von unseren laizistischen und fortschrittlichen Strömungen verstanden zu werden?"

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Mit dem Massaker von Alexandria haben die ägyptischen Salafiten die Vorschläge der irakischen Al-Kaida befolgt, Christen umzubringen. Das nächste Szenario, das von den NATO-Geheimdiensten befürchtet wird, ist nun, dass die irakischen Islamisten es geschafft haben könnten, Einzelgänger in Europa anzuheuern - mit dem Auftrag, Anschläge zu organisieren, wenn möglich zu den Hauptfesttagen. In diesem Zusammenhang könnte der Selbstmordattentäter von Stockholm von vor Weihnachten der Beginn eines neuen blutigen Weges gewesen sein."

"Neue Zürcher Zeitung" (NZZ):

"Die Wut über den autoritären, als unfähig und korrupt empfundenen Staat geht weit über das Lager der Islamisten hinaus. Manche Christen wittern in Mubaraks System eine gezielte Marginalisierung aller Kopten. Selbst wenn Mubarak in seinem 80-Millionen-Staat die Sicherheit für die rund acht Millionen Christen verstärken sollte, ist mit künftigen Anschlägen zu rechnen. Das Kalkül der Attentäter von Alexandria zielt darauf, im Vorfeld der im September stattfindenden Präsidentschaftswahl jene Instabilität zu erzeugen, die für ein Ende der Ära Mubarak Voraussetzung ist. Dazu einen Krieg der Gläubigen anzuzetteln, ist nicht ihr Ziel, sondern Mittel zum Zweck."

"Handelsblatt" (Düsseldorf):

"Ägypten gerät - wie auch andere Teile Nordafrikas - immer deutlicher ins Visier Bin Ladens. Das Nil-Land gilt als besonders sensibel, denn dieses Jahr wird ein Nachfolger für den mittlerweile 82-jährigen Dauerregenten Hosni Mubarak gewählt. Nach seinem Willen soll es sein Sohn werden. Dafür ließ Mubarak die islamische Muslimbruderschaft sowie die koptischen Christen entmachten und hielt den Ex-Chef der Internationalen Atombehörde, Mohammed ElBaradei, von einer Kandidatur ab. Nun schlägt Al-Kaida brutal zu und weckt Erinnerungen an die Terrorwelle am Nil in den 1990er-Jahren. Wieder soll das pro-westliche Ägypten, das zudem den Nachbarn Israel akzeptiert, erschüttert werden."

"Stuttgarter Zeitung":

"Inzwischen skandieren Muslime nach ihren Freitagsgebeten regelmäßig anti-christliche Parolen. Die Christen fühlen sich zunehmend bedrängt und im Staat als Bürger zweiter Klasse behandelt. Sie werden von den Behörden diskriminiert und haben kaum Aufstiegschancen. (...) Und dennoch: was jetzt in Alexandria geschehen ist, hat eine neue Dimension. Das Attentat trägt die Handschrift von Al-Kaida, die in der Hafenmetropole mehr und mehr Zulauf findet. Ägyptens Islamisten werden noch tiefer als bisher in den politischen Untergrund abtauchen. Und der Einfluss des moderaten Flügels wird weiter schwinden. Die blindwütigen Fanatiker könnten am Ende des Jahres als Sieger dastehen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Eher könnte man vermuten, dass die Dschihadisten beschlossen haben, das altersschwach gewordene Regime des greisen, pro-westlichen Präsidenten Mubarak zu destabilisieren; auch deshalb ist die Reaktion der Nachbarn, die fast alle schon ihre Erfahrungen mit diesen Terroristen haben, dieses Mal so entschieden. Die seit vielen Jahren auftretenden, ungelösten Spannungen zwischen Muslimen und Christen sind der Schwachpunkt, an dem die Terroristen ansetzen. Mit dem traditionellen Islam hat das nichts zu tun. Selbst die fundamentalistischen Muslimbrüder haben die Bluttat - wie die anderen zuvor - verurteilt. (...) In Ägypten hat in den vergangenen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten eine 'Islamisierung' stattgefunden, die das liberale Klima von einst hinter sich gelassen hat. Dafür sind die Spannungen mit den Kopten nicht das einzige Indiz. In diesem Klima fällt es Radikalen und Terroristen leicht, sich zu tummeln, Anhänger und Gewalttäter zu rekrutieren. Zudem hat der Irak-Krieg der Amerikaner den Druck auf die Christen im gesamten Orient verstärkt." (APA)