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Diese farbigen Handabdrücke der kleinen Patienten wurden in einem einem deutschen Kinderhospiz fotografiert.

Foto: APA/Volker Wiciok

Der Tod ist leider keine Frage des Alters. Er macht auch vor Kindern nicht halt. Hat das eigene Kind eine tödliche Erkrankung, dann wird der schlimmste Albtraum von Eltern zur Realität. Vom Moment der Diagnose an, ist nichts mehr wie es war. Die Familie erwartet ein Leben mit einem Kind, das mitunter rund um die Uhr Pflege und Betreuung braucht. Ein physischer, psychischer und finanzieller Grenzgang, der Partnerschaften und ganze Familienstrukturen zerbrechen lässt.

Ebenso jung wie diese kranken Kinder, ist eine Organisation in Wien, die betroffene Familien auf ihrem schwierigen Weg begleitet. Das mobile Kinderhospiz „Netz" wurde 2005 von der Palliativmedizinerin Brigitte Humer-Tischler und der Lebensberaterin Sabine Reisinger gegründet. Der Verein finanziert sich momentan fast ausschließlich über Spenden. Für die Familien ist die Betreuung kostenlos.

Zum Zeitpunkt der Diagnose

Ursprünglich stammt die Idee des Kinderhospizes aus Großbritannien. 1982 wurde in Oxford das Helen House gegründet, das erste Kinderhospiz weltweit, benannt nach dem schwerkranken kleinen Mädchen Helen. In England gibt es mittlerweile zahlreiche stationäre Einrichtungen dieser Art, in Österreich keine. „Manchmal muss hierzulande eine Intensivstationen palliative Begleitung für Kinder leisten, die nur noch wenige Wochen zu leben haben, weil kinderinterne Stationen die intensive Pflege nicht bewältigen und es keine Kinderpalliativstationen gibt", erzählt Humer-Tischler und sieht im stationären Bereich für unheilbar kranke Kinder noch dringenden Bedarf.

Im Unterschied zum Erwachsenenhospiz, geht es im Kinderhospiz jedoch nicht nur um die letzte Lebensphase der jungen Menschen. Sterbende Kinder und ihre Familien besitzen andere Bedürfnisse als sterbende Erwachsene. Deshalb treten Hospiz-Mitarbeiter bei Kindern im besten Fall schon zum Zeitpunkt der Diagnose auf den Plan. Das primäre Ziel: Die frühe Einbindung in die Begleitung der gesamten Familie, um den Angehörigen so viel Zeit wie möglich zu verschaffen, sich auf das bevorstehende Lebensende ihres Kindes vorzubereiten. „Leider werden wir von den Familien oft erst kontaktiert, wenn die Mutter zusammenbricht", beschreibt die Palliativmedizinerin die derzeitige Realität.

Augenmerk auf die Geschwisterkinder

Gesprächspartner, Manager und unterstützender Begleiter will das Kinderhospiz sein, unnötige Krankenhausaufenthalte vermeiden und notwendige stationäre Aufnahmen für die kleinen Patienten rechtzeitig anleiern. Psychologen, Pflegespezialisten und Ärzte widmen ihre Aufmerksamkeit jedoch nicht nur den kranken Kindern, sondern sämtlichen Familienmitgliedern. „Dazu gehört auch, dass eine Intensivschwester am Hochzeitstag der Eltern babysittet, damit Mama und Papa den Abend bei einem Candle Light Dinner verbringen können", erzählt Humer-Tischler.

Besonderes Augenmerk richtet das Hospiz-Team auf die Geschwisterkinder. „Es kann nicht sein, dass ein vierjähriges Kind das „Nein" sagen verlernt hat, nur um das Leben seiner kranken Schwester nicht zu gefährden", so Humer Tischler. Von den gesunden Geschwistern verlangt das Kranksein des Bruders oder der Schwester einiges ab. Permanentes Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse, das Vermissen der Eltern und das Unverständnis der Umgebung für die eigene Situation drängen diese Kinder in Schulversagen, Depressionen und sozialen Rückzug. Um den Kindern zu helfen, versucht das Kinderhospiz-Team in den Schulen die Geschwistersituation zu erklären, vermittelt bei Konflikten oder hilft bei den Hausaufgaben. In eigenen Geschwistergruppen finden Gleichgesinnte außerdem die Möglichkeit beim Bowling oder im Schwimmbad einfach nur Spaß zu haben.

Mutter Pflegekraft, Vater Workaholic

Neben der enormen psychischen und physischen Belastung, kommt für die betroffenen Familien noch die finanzielle dazu. Denn ein krankes Kind zu haben, ist teuer. „Im Durchschnitt sind Familien nach drei Jahren Hospizbegleitung an der Armutsgrenze oder darunter", weiß Humer-Tischler. Die Schuldenspirale dreht sich. Berufstätige Mütter geben in aller Regel ihren Job auf und mutieren zu perfekten Pflegekräften. Die Väter werden zu Workaholics, um die anstehenden Rechnungen bezahlen zu können. Die Geschwisterkinder kommen immer zu kurz und das kranke Kind ist zum Mittelpunkt der Welt geworden. 

Während jedoch die Eltern an den bevorstehenden Tod des eigenen Kindes nicht einmal zu denken vermögen, ist das Thema Sterben für die kranken Kinder selbst kein Tabu. „Die Kinder gehen viel offener mit dem Sich-Verabschieden um, als die Eltern", so Humer-Tischler und beschreibt ihre Gespräche mit den Kindern als großen Gewinn.

"Leben retten"

„Kinderhospiz bedeutet Familienleben retten", betont die engagierte Allgemeinmedizinerin abschließend und beschreibt ihre Arbeit durchwegs als positiv und erfreulich. So präsent der Tod auch sein mag, auch im Kinderhospiz zählt vordringlich das Leben. Und das gilt es für die betroffenen Familien schöner, erträglicher und lebenswerter zu gestalten. (derStandard.at, 23.12.2010)