Der Kibbuz En Gedi an der Westküste des Toten Meeres ist der einzige botanische Garten weltweit, der bewohnt wird. Rund 600 Chawerim leben hier.

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Die AUA fliegt zweimal täglich von Wien nach Tel Aviv. Die israelische El Al fliegt einmal täglich außer Freitag und Samstag. Etwas günstiger sind internationale Flüge mit einem Zwischenstopp.

En Gedi erreicht man am besten mit dem Linienbus des Transportunternehmens Egged. Die Busse fahren mehrmals täglich (3 Stunden von Tel Aviv, 2 Stunden von Jerusalem). Mit dem Mietwagen erreicht man das Tote Meer zwar schneller, doch dafür kann es beim Grenzübergang ins palästinensische Autonomiegebiet für alleinreisende Touristen mitunter zu Schwierigkeiten kommen. Auskunft erteilt das österreichische Außenministerium.

Foto: Egged

Die beste Möglichkeit, den Kibbuz zu erkunden, bietet sich, indem man im En Gedi Hotel übernachtet. Mit 120 bis 150 Euro pro Nacht sind die Bungalows zwar nicht billig, doch dafür wohnt man im Paradies. Es empfiehlt sich, ein paar Euro draufzuschlagen und Halbpension zu buchen. Das koschere Essen ist eine Gaumenfreude.

Mit dem regelmäßig verkehrenden Bus erreicht man in wenigen Minuten das En Gedi Spa. Direkt am Toten Meer gelegen, verfügt es über Schwefelbäder und Schlammkuren. Der Aufenthalt im stark salzhaltigen Toten Meer gilt als gesund, sollte aber zeitlich begrenzt werden.

Foto: En Gedi Hotel

Die meiste Zeit des Tages hängt Roy Annau in den Palmen. Der gebürtige Kanadier, der 1966 als junger Volontär, als sogenannter Machal, hierherkam, ist Dattelspezialist. Er ist zuständig für die Qualität der pickigen Früchte. Er züchtet, befruchtet, schneidet, stutzt und erntet. Am meisten fasziniert ihn, dass die schönsten Bäume der Welt, wie er meint, unterschiedliche Geschlechter haben. "Die meisten Leute hocken von früh bis spät vor dem Computer, ich hocke dafür oben auf der Palme und kreuze Männchen mit Weibchen. Ich liebe diesen Job."

Der Kibbuz En Gedi, an der Westküste des Toten Meeres gelegen, macht deutlich, wie sich die einst sozialistischen beziehungsweise kommunistisch geprägten Kollektivsiedlungen im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt haben. 1956 gegründet, war En Gedi einst Paradies für all jene, die sich vor allem nach Zusammengehörigkeit sehnten.

Nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 erlebten die Kibbuzim daher einen regelrechten Boom. Mehr als 200 Kollektivsiedlungen gab es damals im ganzen Land. Die Zahl der Bewohner schoss innerhalb weniger Jahre von 30.000 auf über 70.000 hoch. Heute leben in Israel rund 120.000 Menschen in Kibbuzim.

Aus dem basisdemokratischen Idealdorf ist in der Zwischenzeit ein Zentrum der freien Marktwirtschaft geworden. Zwar leben die Chawerim, wie die rund 600 Bewohner En Gedis genannt werden, nach wie vor in einer sozialistischen Struktur, doch nach außen hin ist die Oasensiedlung zum Unternehmen mit recht potenten Umsatzzahlen avanciert. "En Gedi kommt gut über die Runden, aber bringen Sie uns nicht in Verlegenheit", sagt Roy. "Wir wollen die Zahlen nicht in die Öffentlichkeit tragen."

Oase, 400 Meter unterm Meer

En Gedi verfügt über knapp acht Quadratkilometer Plantagen. Angebaut werden Datteln, Mangos und Basilikum. Während Mango- und Kräuterzucht für den inländischen Markt bestimmt sind, werden die Datteln in alle Welt exportiert. "Verglichen mit anderen Betrieben sind wir recht klein", sagt Roy Annau, "aber wir haben den Vorteil des warmen und ganzjährig beständigen Klimas."

400 Meter unter dem Meeresspiegel gelegen, ist En Gedi eine der heißesten Regionen Israels. Die frühe Reifezeit der Früchte verschafft dem Kibbuz einen zeitlichen Vorsprung, der sich auch wirtschaftlich niederschlägt. "Aufgrund unserer Größe produzieren wir zwar teurer als all unsere Konkurrenten, die eigentlich um einiges mächtiger sind, doch dafür sind wir die ersten am Markt."

Neben dem Obstanbau verfügt En Gedi über ein Internat, in das mittlerweile Schülerinnen und Schüler aus ganz Israel kommen, über eine Tankstelle, die unten an der vielbefahrenen Hauptstraße 90 liegt, über eine Mineralwasserabfüllanlage sowie über eine Plastik- und Gummifabrik namens En Gal, in der etwa Kunststoffteile für Werkzeuge sowie Reifen für Spielzeugautos hergestellt werden.

Den Löwenanteil der Einnahmen beschert jedoch der Tourismus. Direkt auf dem Grundstück gibt es ein Hotel mit 132 Zimmern, diversen Botanikkursen, Yogastunden und einer kulinarischen Verpflegung, die einem den Garten Eden auf die Zunge zaubert. Kürzlich sind die Bagger angerollt. Weitere Bungalows befinden sich bereits in Bau.

Nur wenige Kilometer weiter südlich liegt das kibbuzeigene Spa mit Schwefelbädern, Schlammkur und einer erklecklichen Anzahl an Massagen. Es ist die Cashcow des En-Gedi-Kollektivs.

"Im Vergleich zu früher ist das Leben einfacher geworden", sagt Anat Raz. Die 63-Jährige ist eine von 185 wahlberechtigten Mitgliedern des Kibbuz. "Ich lebe hier schon seit über 30 Jahren, und ich erinnere mich, dass die Spielregeln damals um einiges strenger waren."

Kibbuz mit lockeren Regeln

Fernseher und Nebenerwerbsjobs etwa waren verboten, Trinkgelder aus dem Restaurantbetrieb oder Hotel mussten in einen gemeinsamen Fonds eingezahlt werden, und die Chawerim hatten nicht einen einzigen Beruf, wie das heute der Fall ist, sondern rotierten im Wochen- und Monatsrhythmus, waren mal Dattelzüchter und Traktorfahrerinnen, dann wieder Kindergärtnerinnen und Waschküchenchefs.

"Ich bin froh damit, wie sich die Dinge entwickelt haben", erklärt Anat, die nun schon seit einer halben Ewigkeit als Gärtnerin arbeitet. "Erstens kann man sich auf diese Weise im Laufe einiger Jahre wirklich auf seine Tätigkeit spezialisieren, andererseits: Schauen Sie sich doch mal um! Das hier ist ein Paradies!"

Seit 1994 gilt der Kibbuz En Gedi offiziell als botanischer Garten. Es ist der einzige botanische Garten weltweit, der bewohnt und wirtschaftlich genutzt wird. Die unterirdischen Zuflüsse aus der hochgelegenen Judäa-Wüste versorgen die Oase das ganze Jahr über mit nährstoffreichem Wasser. Mehr als 900 Pflanzenarten - darunter einheimische wie tropische - gedeihen an diesem Ort. Anat hat zwei Lieblingsbäume: den rund zehn Meter hohen Ficus Benjamin, der aussieht, als hätte man ihn mit Anabolika gefüttert, und den Baobab, den lustig proportionierten Affenbrotbaum.

Vor wenigen Wochen sind der 21-jährige Matan Fine und die 20-jährige Adi Zarka in den Kibbuz gezogen. Die beiden waren lange Zeit auf der Suche nach einem Job. In En Gedi wurden sie als Kellner im koscheren Hotelrestaurant eingestellt. Sie verdienen zwar wenig, doch dafür sind Wohnen und Verpflegung fast umsonst.

Und einen großen Vorteil gibt es obendrein: "Die israelische Regierung unterstützt diese Form der Tätigkeit im Kollektiv. Ein Teil der Arbeitszeit im Kibbuz wird dem Wehrdienst angerechnet", sagen die beiden. "Im Garten Eden zu sitzen ist jedenfalls besser als draußen auf der Westbank. Und Trinkgeld gibt's auch." (Wojciech Czaja/DER STANDARD/Printausgabe/18.12.2010)