NGOs üben scharfe Kritik am österreichischen Asylgesetz und drohen mit Millionenklagen

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Wien - Praktisch kein gutes Haar lassen die Flüchtlingsorganisationen am Asylgesetz-Entwurf von Innenminister Ernst Strasser (V): "Das, was hier vorliegt, ist eine Asyl-Verhinderungsnovelle", urteilte amnesty international Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt Mittwoch Vormittag bei einer Pressekonferenz einiger NGOs. Die Vorschläge hätten eine "skandalöse Dimension", seien sie doch zweifelsfrei verfassungswidrig und stünden weit außerhalb der Menschenrechtskonvention. Diakonie-Direktor Michael Chalupka sprach von einem "dilettantischen Entwurf", Heinz Stieb von der Volkshilfe nannte die Vorschläge Strassers "eine ziemliche Katastrophe".

Kritik am Asylgesetz

Auf Widerstand der NGOs stößt unter anderem, dass Asylwerber aus (noch festzulegenden) "sicheren" Herkunftsstaaten bzw. Drittstaaten generell vom Asyl in Österreich ausgeschlossen sind. Patzelt verwies darauf, dass weiter Individualprüfungen notwendig seien, in bestimmten Fällen könnte selbst bei EU-Bürgern ein Asylgrund vorhanden sein. Ebenfalls abgelehnt wird der Passus, wonach (mit Ausnahme von Traumatisierten und Folteropfern) nur noch in der ersten Instanz Fluchtgründe angegeben werden können. Offenbar sei dem Innenministerium die Berufungsinstanz, der UBAS, "lästig" geworden, seien doch zuletzt 20 Prozent der Normal- und ein Drittel der Schnellverfahren vom Unabhängigen Bundesasylsenat aufgehoben worden.

Besorgnis bei den Hilfsorganisation erregt auch das Vorhaben Strassers, in einem Vorverfahren binnen maximal 72 Stunden zu entscheiden, ob sofort Asyl gewährt wird, ein längeres Verfahren notwendig ist oder die betroffene Person gleich wieder abgeschoben wird: "Diese Frist ist zu kurz und daher unsinnig", meinte Stieb. Aus der Praxis zeige sich, dass erst nach dem zweiten oder dritten Betreuungsgespräch die Fluchtgründe wirklich herauskämen. Andrea Eraslan-Weninger vom Integrationshaus ergänzte, man müsse den Menschen Zeit geben anzukommen und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Machbar wäre so einer Erstabklärung laut Patzelt in zwei bis drei Wochen.

Millionenklagen möglich

Abgelehnt wird von den NGOs auch, dass Menschen an den Grenzen unverändert abgewiesen werden. Als "absoluten Zynismus" bezeichnete Patzelt es, dass Asylsuchende nunmehr auch zehn Kilometer innerhalb des österreichischen Staatsgebiets nicht aufgenommen werden müssten. Überhaupt fand der amnesy-Generalsekretär drastische Worte, was die geplanten neuen Gesetze angeht. Im besten Fall müssten künftig Asylwerber von einem Nachbarstaat den Ausgang ihres Verfahrens erwarten, im schlimmsten Fall würde es gemäß "speed kills" enden, wenn Menschen in Länder zurückgeschickt würden, in den Folter und Mord drohten. Von Chalupka kritisiert wurde, dass in der Asylpolitik "konsequent" auf die Mitarbeit der NGOs verzichtet werde.

Tatsächlich Ungemach droht dem Innenministerium, was ein vor kurzem erfolgtes OGH-Urteil angeht. Dieses könnte zur Folge haben, dass die Hilfsorganisationen nachträglich Kosten für die Betreuung abgegolten bekommen müssen. Angesichts dessen, dass mindestens 2.000 Menschen von den NGOs betreut würden, ergäben sich Ansprüche von mehr als sieben Millionen Euro pro Jahr, rechnete Stieb vor. Nunmehr wird man am 15. Mai auf Einladung mit dem Innenministerium zusammentreffen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird man Einzelfälle einklagen. Der OGH-Entscheid sagt im Wesentlichen, dass der Staat für die Betreuung von Asylwerbern aufzukommen hat - dies auch rückwirkend. Das Urteil im Musterprozess am Wiener Landesgericht wird am 21. Mai gefällt. (APA)