Stella Rollig, Julius Stieber, Ulrich Fuchs, Alexandra Föderl-Schmid, Peter Androsch, Erich Watzl und Christine Schöpf (v. l.) diskutierten über Linz 09.

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Linz - Am Ende des europäischen Kulturhauptstadtjahres sprach Linz-09-Intendant Martin Heller noch von einem "neuen Selbstbewusstsein in der Stadt". Jetzt, ein Jahr danach, diagnostiziert sein Stellvertreter Ulrich Fuchs "einen Rückfall in die Provinzialität". Am Montagabend diskutierten beim "Jour fixe" im Linzer Kunstmuseum Lentos unter der Leitung von Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid Christine Schöpf, Stella Rollig, Peter Androsch, Julius Stieber und Erich Watzl mit Fuchs über die in diesem Kontext vielstrapazierte Nachhaltigkeit.

Mit diesem Begriff hatte Ars-Electronica-Direktorin Schöpf grundsätzlich keine Freude. Denn er drücke zu sehr das Bewahrende und zu wenig das neu Entstandene aus: "Ich vermisse aus heutiger Sicht, dass aus Linz 09 Weiterführendes hervorgegangen ist." Dem widersprach der Linzer Kulturdirektor Stieber. Nachhaltigkeit bedeute für ihn zweierlei: "Im konservativen Sinn, das Gute, das bei Linz 09 entstanden ist, fortzuführen und abzusichern, wie etwa den Keplersalon." Gleichzeitig werden auch neue Formate mit Restmitteln des Linz-09-Budgets gefördert. Wie etwa die Triennale 1.0, "ein neues Format, bei dem sich erstmals drei Institutionen, Landesgalerie, OK und Lentos zusammengeschlossen haben".

Kein Erhalt der Lebendigkeit

"Das viele Geld", mindestens 1,5 Mio. Euro, rechnete Androsch, musikalischer Leiter von Linz 09, auch zur Haben-Seite des Kulturhauptstadtjahres. "Woran wir hingegen gescheitert sind, ist das Erhalten der Lebendigkeit in den Stadtteilen mit ihren kleinen Initiativen. Was jetzt leider übrig bleibt, ist die Reduktion der kulturellen Dimension auf die künstlerische", bemängelte er. Darin sieht er auch den Grund, warum sein Projekt Hörstadt nicht mehr von der Politik unterstützt werde.

Hier setzte auch Fuchs mit seiner teilweise sebstkritischen Analyse an: "Es ist uns zu wenig gelungen, die Linzer Politik zu verändern." Er habe den Eindruck gewonnen, dass "jenen, die in der Stadt etwas zu sagen haben, es gar nicht schnell genug gehen konnte, die Reste wie etwa die Ortstafeln (in verschiedenen Sprachen), die mit Linz 09 etwas zu tun haben, wegzubekommen." Diese Politikerschelte konnte Kulturstadtrat Watzl nicht auf sich sitzenlassen. "Es wurde erreicht, dass es die Äquidistanz, die es zwischen Stadt und Land gegeben hat, jetzt nicht mehr gibt."

Ein "unausweichliches Durchhängerjahr", ein "Erschöpfungsphänomen" musste Lentos-Direktorin Rollig heuer feststellen. Das Ausstellungsbudget ihres Museums betrug in diesem Jahr 0,4 Mio. Euro, voriges Jahr hingegen noch 2,2 Mio. Als echtes "Manko" bezeichnete sie die heurige "Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit". Ihr fehle "der Neuner", die Programmzeitung des vorigen Jahres.

Die ausgerufene Devise für 2010 "Kultur macht jetzt mal Pause" hält Fuchs für die "komplett falsche. Deshalb "ging der Effekt, über den Tellerrand zu schauen, zurück". Dies machte er an den zwei großen Herausforderungen für Linz fest: Das neue Musiktheater, "dessen Intendant erklärt, der Einzugsbereich des neuen Hauses ist Linz und 50 Kilometer drum herum". Und die leerstehende Tabakfabrik, an deren Entwicklungskonzept "nur lokale Größen arbeiten, ohne sich dabei internationale Referenzprojekte anzuschauen. Linz sei auf dem besten Weg, "wieder nur im eigenen Saft zu schmoren." (Kerstin Scheller/DER STANDARD, Printausgabe, 15. 12. 2010)