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Ist das Sexualstrafrecht in Schweden absurd? Darf eine Frau, wenn sie zunächst einvernehmlichen Sex mit einem Mann hatte, im Verlauf einer sexuellen Begegnung nicht mehr Stopp sagen?

EPA/MARKKU OJALA

Das Gesetz in Schweden geht zu streng gegen Sexualstraftaten vor. Jedenfalls scheint das ein Resümee zu sein, das vielerorts aus den aktuellen Ereignissen rund um Wikileaks-Gründer Julian Assange gezogen wird. Dieser wurde von zwei Frauen der sexuellen Nötigung beschuldigt, was sich eben in Schweden ereignet haben soll.

Es ist beängstigend, mit wie viel Spott und Hohn über die strafrechtliche Verfolgung von Sexualdelikten geurteilt wird. Das Credo lautet: Vorsichtshalber wird diffamiert. Üblicherweise sind es einzelne Frauen, die prophylaktisch lächerlich gemacht werden, im Fall der Vorwürfe gegen Julian Assange machte man sich auch gleich über ein Land und sein Sexualstrafrecht lustig, ohne Genaueres zu wissen oder wissen zu wollen.

Die Schweden-Empörung

So war davon die Rede, in Schweden gelte es schon als Vergewaltigung, wenn das Kondom reißt oder schlichtweg gar nicht verhütet wird. Dass natürlich auch in Schweden Vergewaltigung als solche geahndet wird, wenn der Geschlechtsverkehr erzwungen wurde, ging in lauten Schweden-Empörung unter. Dabei geht es wie in anderen Ländern auch in Schweden darum, dass eine Frau ihre Ablehnung kundgetan hat - egal aus welchem Grund - und sich der andere darüber hinwegsetzte.

Darf eine Frau, wenn sie zunächst einvernehmlichen Sex mit einem Mann hatte, im Verlauf einer sexuellen Begegnung nicht mehr Stopp sagen? Wenn man der Ansicht ist, dass eine Frau mit einem gelegentlichen Ja das Recht aufs Neinsagen verwirkt hat und einem Mann zur Verfügung stehen soll, wie es ihm passt, selbst wenn das heißt, dass er sich und sie gegen ihren Willen nicht mit einem Kondom schützt - ja, dann kann man das Sexualstrafrecht Schwedens als übertrieben bezeichnen.

Groupies und Bewunderinnen

Auch über die beiden Frauen, die Assange anzeigten, wird frei von der Leber weg geschrieben. Das waren ja "Groupies" und "Bewunderinnen" von Assange, und auch über die emotionale Verfasstheit der Frauen weiß man Bescheid. So schrieb die "FAZ" davon, wie eine der Frauen vom "Seitensprung" Assanges erfahren habe, und suggerierte so, die Frauen, die Assange angezeigt haben, hätten sich mit ihm in einer festen Beziehung geglaubt und sich betrogen gefühlt. Und die "taz" findet es im Gegensatz zu einer Verschwörung von US-Geheimdiensten plausibler, "dass die Frauen sauer wurden, als sie feststellten, dass Assange mit beiden geschlafen hatte. Nach unbestätigten Medienberichten beklagt sich die eine Frau bei der anderen, weil sich Assange nicht mehr meldete."

Hier wurde einmal mehr die Gelegenheit beim Schopf gepackt, sexuelle Übergriffe, Nötigung und Vergewaltigung als Straftaten lächerlich zu machen. Ob man nun ein Komplott der CIA vermutet und an die Unschuld von Assange glaubt - völlig egal, was wir über die Faktenlage noch erfahren: Es ändert nichts am frauenfeindlichen Gestus vieler Berichterstattungen und Kommentare. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 15.12.2010)