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Netflix-Chef Reed Hastings stellt seinen Online-Dienst für Spielkonsolen vor.

Foto: REUTERS/ Mike Cassese
Foto: Netflix

Der Gedanke, Filme und Serien auf Bedarf und zu jeder Zeit ansehen zu können, ist verlockend. In den 1980ern und 1990ern füllte man zu diesem Zweck Schränkeweise Kästen mit Videokassetten, Anfang 2000 verdrängte die superschlanke DVD die unhandlichen Magnetbänder. Doch egal ob VHS oder Blu-ray: Der Aufbau einer persönlichen Videothek auf Basis von physischen Datenträgern ist nicht nur teuer, sondern auch recht umständlich.
Seit der Verfügbarkeit von größeren Internetbandbreiten ist es einfacher denn je, Medien zu konsumieren. Doch die viel beschworene Fernsehrevolution dank Video-On-Demand-Diensten (VOD) ist dennoch bislang ausgeblieben. Zum einen Teil hapert es an der Verfügbarkeit von Inhalten und zum anderen Teil sind überhöhte Preise daran schuld. Beide Faktoren bedingen, dass der Nutzung von Tauschbörsen und illegal verbreiteten Inhalten in zahlreichen Ländern immer noch keine attraktive Alternative gegenübersteht.

Netflix ändert alles

Wie die Fernsehzukunft aussehen könnte, zeigt seit wenigen Jahren das US-Unternehmen Netflix. Der gleichnamige Dienst startete 1997 als DVD-Abo-Service und verzeichnet mittlerweile rund 16 Millionen Kunden, die Filme und Serien zu einem Großteil (auch) über ein unlimitiertes Online-Streaming-Angebot beziehen. Für knapp 8 US-Dollar im Monat können US- und kanadische Kunden aus zehntausenden Werken aller großen Hollywood-Studios wählen und diese so oft sie wollen und wann sie wollen ansehen - HD-Inhalte inklusive. Der Zugang wird ebenfalls leicht gemacht: Wer will kann Netflix über den PC, eine Streaming-Box, eine Spielkonsole, das Handy oder über ein anderes der 200 unterstützten Geräte beziehen. Damit ist Netflix so günstig und flexibel, dass man selbst den Aufwand, nach einer kostenlosen Kopie das Netz zu durchstöbern, in Frage stellt.

Hindernis "Lizenzen"

Das Angebot scheint jedenfalls zu stimmen und die Nachfrage ebenfalls. Seit einem Kurstief vergangenen Jänner hat sich der Aktienwert vervierfacht. Der Marktwert wird auf 10 Milliarden Dollar geschätzt, 2009 lag der Profit bei knapp 200 Millionen Dollar. Doch obwohl der Ausblick ebenfalls rosig ist, gibt es für die Netflix-Revolutionäre rund um Firmenchef Reed Hastings noch jede Menge Hindernisse zu überwinden, bevor in internationalen Maßstäben gedacht werden kann. Das größte Problem für Streaming-Anbieter stellt der Erwerb von Ausstrahlungslizenzen dar.
"In den USA besagt ein Gesetz, dass es erlaubt ist, DVDs zu vermieten, wenn man sie kaufen kann. Daher haben wir alle Filme auf DVD. Für das Streaming über das Internet müssen wir eine separate Lizenz erwerben. Das ist ein ziemlich komplizierter Prozess, da Hollywood-Studios nicht für alle ihre Filme Streaming-Lizenzen anbieten. Das liegt daran, dass andere Anbieter bestimmte Lizenzen für sich gesichert haben", erklärt Konzernsprecher Steve Swasey im Gespräch mit derStandard.at die Problematik.

Eine Frage des Preises

Gleichzeitig muss Netflix drauf achten, dass Lizenzen zu einem Preis erworben werden, der bei 8 Dollar monatlicher Pauschale noch einen Gewinn für die Anleger ermöglicht. Vergleichbare Dienste wie Apple TV oder Kabelanbieter verlangen von Kunden 3 bis 5 Dollar (oder Euro) pro gestreamten Film - die Diskrepanz ist demnach enorm. Laut Swasey sei dies der Hauptgrund, weshalb noch nicht alle Inhalte online zur Verfügung gestellt werden können. " Wir haben von Disney bis Sony alle an Board. Doch wir müssen für jeden einzelnen Film Streaming-Lizenzen erwerben."

Gefahr für Kabelanbieter und schwierig für Medienkonzerne

Wenngleich der Umfang des Online-Angebotes noch nicht mit konventionellen Videotheken mithalten kann, wird Netflix in der Branche als wachsende Bedrohung für konventionelle TV-Sender, SAT- und Kabel-TV-Betreiber gesehen. Eine Rolle, in der sich die Betreiber selbst nicht gerne sehen, bestätigt Swasey. Netflix ersetzte traditionelles Fernsehen nicht, heißt es im Konzernsprech. "Die Leute wollen nachwievor Nachrichten, Sport und Live-Übertragungen. Sie können die Weltmeisterschaft oder die Oscar-Verleihung nicht auf Netflix sehen." Das Top-Argument für Auslegung komplementäre, bezieht zwischen den Zeilen allerdings bereits den Substitutionsgedanken mit ein - ob gewollt oder nicht. "Das Schöne an Netflix ist, dass es so günstig ist, dass man deshalb auf nichts verzichten muss. Für 8 US-Dollar im Monat erhalten Sie unlimitierten Zugang zu Filmen und TV-Serien", so der Konzernsprecher.

Einer Studie des Marktforschungsunternehmens BTIG Research nach, dürften auch die Medienkonzerne selbst nicht hundertprozentig mit Netflix Erfolg zufrieden sein. Denn die Einnahmen durch Netflix fallen je nach Deal weitaus geringer aus, als jene durch Bezahlfernsehsender, die weit höhere Fixkosten von ihren Sehern einfordern. Ein Grund, weshalb Studios mitunter den Start für Filme über Streaming-Services bis zu ein Monat nach dem DVD-Start ansetzen.

Start in Europa?

Wann Netflix auch außerhalb Nordamerikas zugänglich sein wird, steht indes in den Sternen. "Wir wollen international Fuß fassen. Aber wir haben noch keine Angaben dazu gemacht, in wann und in welche Länder wir expandieren möchten", bestätigt Swasey. Wann der Dienst nach Europa kommt, wird nicht zuletzt stark vom Erfolg in Kanada abhängen, meinte im Vorfeld bereits Firmenchef Hastings. Die größten Hürden werden auch hier wieder die Lizenzrechte sein. Aber im Prinzip sei dies "ein Start von Null weg".
Bis dahin soll Netflix die Expansion auf Endgeräte weiter vorantreiben. Swasey zufolge stünde als nächstes Googles offene Plattform Android an.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 19.12.2010)

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