Dirigenten in Bayreuth? Das neue deutsche Eisprinzenpaar? Erfinder von Mikrokrediten? Nein, es sind die Schlecker Kinder.

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Kinder an die Macht: Der öffentlichkeitsscheue Anton Schlecker macht ein bisschen Platz für die Erben.

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Lars und Meike Schlecker sollen frischen Wind in die Drogeriemarktkette bringen.

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Seit Jahrzehnten lenkt Anton Schlecker sein milliardenschweres Unternehmen. In der Öffentlichkeit sah man ihn fast nie, sein letztes Bild datiert aus dem Jahr 1999. Seit vier Jahren bröckelt der Erfolg von Schlecker. Während die Konkurrenz aufholt, verliert Europas größte Drogeriemarktkette an Boden. Nun macht der 66-Jährige Platz auf dem Chefsessel – ein bisschen zumindest: Seine Kinder Meike (37) und Lars Schlecker (39) sollen die Firma wieder auf Kurs und frischen Wind in die biederen Schlecker-Filialen bringen sowie mit dem ramponierten Image aufräumen: Mitarbeiter-Bespitzelung, Lohndumping, menschenverachtende Arbeitsbedingungen, überteuerte Preise trotz Billig-Looks in den Filialen beherrschten zuletzt die Schlagzeilen.

Erstmals sprechen die Schlecker-Erben in Österreich im Interview über die Neuausrichtung, das Erfolgskonzept, künftige Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit.

derStandard.at: Ihre Eltern gelten als sehr öffentlichkeitsscheu. Nun machen sie ein bisschen Platz am Chefsessel. Ein Indiz für einen Generationswechsel?

Meike Schlecker: Weniger ein Indiz für einen Generationswechsel als eher ein deutliches Zeichen dafür, dass wir als Familie außerordentlich gut an einem Strang ziehen und gemeinsam für die erfolgreiche Zukunft von Schlecker etwas bewegen wollen.

derStandard.at: Warum zu diesem Zeitpunkt?

Lars Schlecker: Wir sind beide bereits seit Jahren im Unternehmen aktiv und haben verschiedene Bereiche verantwortet. Wir arbeiten gerne für Schlecker und wir arbeiten gerne mit unseren Eltern zusammen. Dass wir uns jetzt um die interne wie externe Kommunikation stärker kümmern, ist schlicht ein Zeichen dafür, dass wir hier Verantwortung übernehmen und unsere Eltern noch stärker unterstützen wollen.

derStandard.at: Sehen Sie sich als Erben eines millionenschweren Firmenimperiums oder eines Konzerns mit vielen "Baustellen"?

Lars Schlecker: Wir sehen uns in erster Linie als Familie gemeinsam in der Führung eines Unternehmens mit einer 35-jährigen Erfolgsgeschichte, das wir jetzt fit für die Zukunft machen. Dazu haben wir ein dezidiertes Programm aufgesetzt. Unser Ziel ist klar: Wir wollen unsere Marktposition in Deutschland und Europa sichern und ausbauen.

Meike Schlecker: Dazu positionieren wir uns klar als der attraktive wie sympathische Nahversorger mit einem dichten Filialnetz, als der gute Nachbar mit einem verlässlich günstigen Sortiment und einem Ambiente, das zum Verweilen einlädt.

derStandard.at: Wird man Sie beide häufiger in der Öffentlichkeit sehen als ihre Eltern?

Lars Schlecker: Wie bereits gesagt, haben wir uns als Familie gemeinsam entschieden, dass Meike und ich die Verantwortung für die Kommunikation nach außen mit übernehmen. Und dieser Verantwortung stellen wir uns beide gerne. Von daher werden wir vermutlich auch in der öffentlichen Wahrnehmung künftig präsenter sein.

derStandard.at: Werden Sie auch unternehmerische Entscheidungen treffen?

Lars Schlecker: Absolut. Das ist im Übrigen auch nichts Neues. Wir sind seit sieben Jahren fest im Unternehmen engagiert und haben unter anderem das Online-Geschäft ausgebaut und den Aufbau unserer Online-Apotheke Vital Sana verantwortet, die bereits nach zwei Jahren den Break Even erreichte. Eine klare Funktionstrennung innerhalb der Familie suchen wir aktuell nicht.

derStandard.at: Ihr Vater hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Er war der jüngste Metzgermeister Deutschland, heute ist er Milliardär. Wieviel Macht haben Sie im Konzern?

Meike Schlecker: Die Frage stellt sich nicht. Wir haben innerhalb der Familie keine Machtdiskussion. Unser Unternehmen verfolgt einen tiefgreifenden Wandlungsprozess. Das gesamte Programm ist gemeinsam von der Familie entwickelt und beschlossen worden.

derStandard.at: Das Firmenimperium ist in den letzten Jahren unter Druck gekommen. Kolportiert werden Verluste in Millionenhöhe.

Meike Schlecker: Schlecker wird in den kommenden zwei Jahren wieder voll angreifen. Wir haben keinen Stein auf dem anderen gelassen und sind jetzt in der systematischen Umsetzung. Dazu wird es auch gehören, im Sinne von Wachsen und Schneiden für eine effiziente Standortstruktur zu sorgen.

Lars Schlecker: Das ist ein Kraftakt, für den wir in den kommenden 18 Monaten rund 230 Millionen Euro investieren werden. Unsere Neuausrichtung umfasst alle Bereiche, geht über Ladenbau, Sortiment und Preisgestaltung bis hin zum Shopkonzept und der Kommunikation. Unsere Läden werden insgesamt offener, freundlicher, heller und übersichtlicher gestaltet. Auch in Kommunikation und Marketing gehen wir neue Wege – in Richtung mehr Transparenz und Offenheit.

derStandard.at: 230 Millionen Euro für die Neugestaltung tausender Shops erscheinen gering.

Lars Schlecker: Um Ihnen eine Vergleichsgröße zu geben: Für unsere Branche ist dies das größte jemals realisierte Investitionsprogramm. Aber Schlecker ist ein kerngesundes Unternehmen und wird diese Investition aus eigener Kraft finanzieren können.

derStandard.at: Wäre es für Sie denkbar, profitable Auslandstöchter wie in Spanien oder Italien zu verkaufen?

Meike Schlecker: Derartige Gedanken machen wir uns aktuell nicht.

derStandard.at: Hegen Sie denn Expansionspläne?

Meike Schlecker: Ja, wir sind unangefochtener Marktführer in Europa und haben in den vergangenen Jahren sehr viel in der Erschließung neuer Länder gelernt. Das internationale Geschäft ist inzwischen einer unserer zentralen Werttreiber. Daher haben wir ein hohes Interesse daran, auch international zu wachsen.

derStandard.at: 2.000 Filialen wurden deutschlandweit im vergangenen Jahr geschlossen. Das ist doch ein Widerspruch?

Lars Schlecker: Wir wollen unsere Führungsrolle im Markt verteidigen und ausbauen. Das beschreiben auch die zwei Phasen des Prozesses. Für das Jahr 2011 stehen die Konsolidierung und die Überarbeitung der bestehenden Märkte im Fokus. Wir werden Märkte dort schließen, wo sie defizitär sind, und neue eröffnen, wo es Potenzial gibt. Ab 2012 steht dann wieder die Expansion auf dem Programm: mit dem Ziel, die Nummer eins in Europa auszubauen.

derStandard.at: Schlecker ist bekannt für sein Konzept des Mikromarketings – kleine Filialen, die sich den ortsbedingten Gegebenheiten anpassen. Ist das Konzept noch zeitgemäß?

Meike Schlecker: Das Konzept ist zeitgemäßer denn je. Wir werden hier sogar in den kommenden Monaten noch deutlich nachlegen. Unser Mikromarketing sorgt dafür, dass Schlecker-Kunden in ihrem Markt genau das finden, was sie suchen. Das Angebot in einem Wohnviertel mit vielen jungen Familien wird also anders sein als das neben einem Seniorenheim.

derStandard.at: Schlecker kam unter anderem wegen Lohndumpings, Bespitzelung der Mitarbeiter oder einer internen Leiharbeitsfirma in letzter Zeit nicht aus den Schlagzeilen. Was wollen Sie tun, um dieses Image aufzubessern?

Lars Schlecker: Fakt ist, dass in einer Medienwelt, in der wir leben, ein Unternehmen, das eher reaktiv und zurückhaltend in der Kommunikation ist, schnell zum Sündenbock gemacht wird. Da gilt oft: Wer zuviel schweigt, ist schuldig. Einiges in der Vergangenheit war nicht immer angemessen, und wir haben manche Prügel auch für komplett branchenübliches Verhalten bezogen. Das werden wir in Zukunft ändern und stärker aktiv kommunizieren. Das meint nicht nur unsere Öffentlichkeitsarbeit nach außen, sondern das meint auch, dass wir unsere interne Kommunikation verbessern und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die entsprechenden Argumente jeweils zeitnah in die Hand geben wollen.

derStandard.at: Kritisiert wurde immer wieder, dass es in kleinen Filialen nur eine Mitarbeiterin gibt, die für Kasse, Reinigung und Sortierung der Ware zuständig ist. Finden Sie diese Unternehmensausrichtung in Ordnung?

Meike Schlecker: Unser Prinzip der "Nähe" zu unseren Kunden setzt sicher bei unseren Mitarbeitern vor allem in den kleineren Filialen zwischen 100 bis 250 Quadratmetern eine hohe Selbstverantwortung voraus. Alle Rückmeldungen, auch aus den Mitarbeiterumfragen, zeigen jedoch deutlich, dass diese Verantwortung als besonders positiv eingeschätzt wird. Die Teams in den Filialen – in den kleineren Filialen sind das übrigens in der Regel eine Vollzeitkraft und zwei Teilzeitkräfte – sehen die Filialen schlicht als "ihre" an, um die sie sich kümmern und für die sie sich verantwortlich fühlen.

Lars Schlecker: Dieses Gefühl und den Teamgeist möchten wir künftig sogar noch stärken. Durch deutlich ansprechendere Filialen, in denen sich Kunden wie Mitarbeiter wohler fühlen, aber auch durch ein gezieltes Motivations- und Verkaufsförderungsprogramm für die Mitarbeiter in den Filialen. Denn eines ist klar: Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigsten Markenbotschafter.

derStandard.at: Die Angestellten fürchten unangemeldete Kontrollen der "Bereichsleiter". Sollen diese auch in Zukunft stattfinden?

Lars Schlecker: Das Thema der Kontrollen scheint uns an vielen Stellen übertrieben kritisch dargestellt. Wir halten es für vollkommen richtig, wenn unsere Betriebsleiter die Filialen in ihrem Verantwortungsbereich kennen und den direkten Dialog mit den Mitarbeitern suchen. Sollte es hier in der Vergangenheit zu unangemessen harschen Reaktionen gekommen sein, werden wir das künftig sehr genau beobachten und gegebenenfalls mit dem jeweiligen Bezirksleiter besprechen und abstellen.

derStandard.at: Das Erscheinungsbild des Unternehmens ist in die Jahre gekommen. Erstmals holt Schlecker Consultingfirmen an Bord.

Meike Schlecker: Unsere Neuausrichtung umfasst wie gesagt alle Bereiche – von Ladenbau, Sortiment und Preisgestaltung bis hin zum Shopkonzept und der Kommunikation. Was wir unseren Kunden in Zukunft bieten wollen, ist die vertraute Nähe, allerdings mit neuem, attraktiverem Gesicht. Standortabhängig wird es zwei Typen von Märkten geben. "Ihr Platz"-Märkte decken das beratungsintensive Premium-Segment ab. Schlecker-Märkte bieten weiterhin die Grundversorgung in der Fläche, wobei sie künftig nach einem einheitlichen, aber modularen System betrieben werden. Optimale Betriebsgrößen liegen zwischen 100 und 200 Quadratmetern sowie um die 500 Quadratmeter.

derStandard.at: Wird es auch Veränderungen für die Standorte in Österreich geben?

Lars Schlecker: Für Österreich gelten die gleichen Rahmenbedingungen wie für unsere Filialen in Deutschland oder den anderen europäischen Ländern. Wir prüfen fortlaufend jeden einzelnen Standort und werden Märkte dort schließen, wo sie langfristig defizitär sind und neue eröffnen, wo es Potenzial gibt. Unser Ziel ist auch hier eine optimale Standortstruktur.

derStandard.at: Schlecker-Filialen befinden sich häufig in Einzugsgebieten oder auch Kleinstdörfern. Geht diese Strategie noch auf?

Lars Schlecker: Absolut. Wir sehen uns in der Tradition des sympathischen Nahversorgers, der immer auch ein Ort für menschliche Kontakte in der unmittelbaren Nachbarschaft war. "Tante Emma" war gestern. Die Grundprinzipien und Werte haben allerdings bis heute Bestand: Wir sehen uns künftig als eine Art guter Nachbar, bei dem man gerne auch einen Moment länger bleibt, weil es immer auch etwas Neues zu erfahren gibt.

derStandard.at: Denken Sie, dass es Schlecker in zehn Jahren noch geben wird?

Lars Schlecker: Davon sind wir fest überzeugt. Schlecker wird in zehn Jahren stärker und gefestigter sein denn je und seine Position als Nummer eins in Europa deutlich ausgebaut haben. (Sigrid Schamall)