Kayhan zum Spiel gegen Porto: "Wir werden Vollgas geben und schauen, dass wir gewinnen."

Foto: derStandard.at/Hirner

"Ich bin jetzt 21 Jahre alt, möchte als nächstes Meister werden und wenn ich mit 24 ins Ausland wechsle, wäre das auch okay."

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"Eigentlich ist vieles nur Kopfsache."

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Vor dem Spiel Rapid gegen den FC Porto am Donnerstag traf sich derStandard.at mit Tanju Kayhan. Der grün-weiße Verteidiger spricht im Interview mit Thomas Hirner über den bevorstehenden Kracher im Happelstadion, die Aufholjagd in der Liga und seine Derbypremiere. Er erklärt, was sich während seiner Entwicklung zum Profi geändert hat, welche Karriereziele er verfolgt, inwiefern er vom Intermezzo in Wr. Neustadt profitiert hat und warum er die Position eines Verteidigers einnimmt. Er sieht den österreichischen Fußball gegenüber dem türkischen im Vorteil und äußert sich auch zum heiklen Thema Integration.

derStandard.at: Die Aufstiegschance in der Europa League ist eher nur mehr theoretischer Natur. (Porto 10 Punkte, Besiktas 7, Rapid und Sofia je 3). Sie waren auch beim Hinspiel in Porto, das 0:3 verloren ging 90 Minuten im Einsatz. Welche Eindrücke und Erkenntnisse nahmen Sie aus Portugal mit nach Hause?

Tanju Kayhan: Porto ist eine sehr starke Mannschaft, sie sind Topfavorit in unserer Gruppe. Sie haben viele Klassespieler auf Champions League-Niveau und sind sicher besser als so mancher Verein in der Champions League. Gegen sie zu spielen ist wirklich nicht einfach. Nur, wir spielen daheim und mit unseren Fans im Rücken kann alles passieren. Es wird zwar sehr schwer, aufzusteigen, aber theoretisch ist noch alles möglich. Wenn Sofia gegen Besiktas gewinnt und auch wir erfolgreich sind, dann kommt es zu einem Finalspiel in Istanbul. Und wir wissen, dass im Fußball alles möglich ist. Am Donnerstag zählen für uns nur drei Punkte.

derStandard.at: Wie lautet die Devise für das Spiel am Donnerstag im Happel? Neues Spiel, neues Glück?

Kayhan: Wir wissen, dass es unsere letzte Chance ist und dementsprechend werden wir reingehen. Wir werden Vollgas geben und schauen, dass wir gewinnen und hoffen, dass Besiktas nicht gewinnt oder zumindest nur unentschieden spielt.

derStandard.at: Fühlt Ihr Euch unter Druck oder geht Ihr mit der Einstellung ins Spiel, dass Ihr ohnehin nur überraschen könnt?

Kayhan: Besonderen Druck spüren wir nicht, aber wir sind auch nicht komplett locker drauf. Aber wir wollen gewinnen, spielen daheim vor fast 50.000 Zuschauern und daheim können wir wirklich gegen jeden gewinnen. Das haben wir gegen Aston Villa schon bewiesen. Ein Vorteil für uns könnte sein, dass die Portugiesen bei diesen Bedingungen vielleicht nicht so stark sind, weil es in Portugal schon ein bissl wärmer ist als hier aktuell.

derStandard.at: Rapid liegt nach 17 Runden als Fünfter acht Punkte hinter Spitzenreiter Ried. Nach durchwachsenem Ligastart scheint es nun aufwärts zu gehen. Warum lief es Ihrer Meinung nach zu Beginn der Meisterschaft nicht rund?

Kayhan: Das ist schwer zu sagen, das lag vor allem an Kleinigkeiten. Wir haben oftmals gut gespielt, haben dann die Tore nicht gemacht und waren auch in der Verteidigung nicht konstant genug. Außerdem hat uns oft auch das nötige Glück gefehlt. Ich glaub, man braucht nicht von einer Krise sprechen, wir haben zwar einige Unentschieden dabei, aber vorne geht es nach wie vor sehr eng her. Die Austria liegt nur zwei Punkte vor uns, RB Salzburg auch nur drei. Die Rieder haben sehr gut begonnen, sie haben einen regelrechten Lauf. Aber am Sonntag kommen die Rieder nach Wien und wir werden versuchen, gegen sie zu gewinnen.

derStandard.at: Ein Derby-Sieg, noch dazu auswärts, ist immer etwas Besonderes. Wird danach doppelt so ausgiebig gefeiert, wie bei einem "normalen" Liga-Erfolg?

Kayhan: (lacht) Wir haben ausgiebig gefeiert, vor allem in der Kabine, da haben wir ordentlich herumgeschrien. Danach allerdings nicht mehr, weil wir ja nun das Spiel gegen Porto haben. Aber für mich war es umso schöner, weil ich ein erstes Mal 90 Minuten Derby gespielt habe. Und nach fünf Jahren in Favoriten zu gewinnen ist natürlich sehr schön. Das fühlt sich gut an. Wir haben ihnen gezeigt, wer die bessere Mannschaft ist. Okay, sie haben in der ersten Hälfte besser gespielt, aber wir waren dann so klug und haben gut verschoben. Und sie haben auch kaum hundertprozentige Chancen gehabt, abgesehen von der Möglichkeit von Dragovic. Es war sehr wichtig, dass wir die drei Punkte geholt haben. Es gibt immer wieder Partien, in denen man nicht so gut spielt, aber auch diese Spiele zu gewinnen ist wichtig und zeichnet uns auch aus.

derStandard.at: Sie haben im Herbst 2008 in der Kampfmannschaft von Rapid debütiert, haben sich jedoch im Frühjahr einen Muskelfaserriss zugezogen und sind wochenlang ausgefallen. Nun haben Sie sich als Außenverteidiger einen Stammplatz erkämpft. Wie stellen Sie sich ihre weitere Karriere vor? Wovon träumen Sie?

Kayhan: Ich bin schon zehn Jahre bei Rapid, war immer schon im Stadion und wollte immer Profi werden. Das habe ich jetzt einmal geschafft. Natürlich darf man sich damit nicht zufrieden geben, sonst kann man sich als junger Spieler nicht weiterentwickeln. Ich bin jetzt 21 Jahre alt, möchte als nächstes Meister werden und wenn ich mit 24 ins Ausland wechsle, wäre das auch okay. Jetzt einmal aber möchte ich nicht an einen Transfer denken, ich bin sehr glücklich, dass ich bei Rapid bin.

derStandard.at: Sie hatten in der Frühjahrsrunde 2010 ein Intermezzo unter Peter Schöttel bei Wiener Neustadt. Was hat Ihnen dieses Engagement gebracht?

Kayhan: Peter Schöttel hat mir in dieser Phase sehr geholfen. Ich habe in den fünf Monaten eigentlich immer gespielt, konnte daher Spielpraxis sammeln, habe mich weiterentwickelt, Sicherheit bekommen und bewiesen, dass ich bundesligatauglich bin. Das hat auch der Trainer gesehen und jetzt machen sie sich keine Sorgen mehr. Umso mehr ich spiele, umso besser werde ich und das auch körperlich.

Aktuell läuft es sehr gut, ich war heuer nur einmal eine Woche lang verletzt. 2007 war ich schwerer verletzt, hatte einen Kreuzbandriss. Wenn man einmal länger verletzt ist, wird die Einstellung professioneller, man lernt seinen Körper besser kennen, man lernt, was einem gut tut und was nicht.

derStandard.at: Was genau hat sich damals geändert?

Kayhan: Zum Beispiel das regelmäßige Schlafengehen. Als junger Spieler denkt man sich nicht so viel, man geht um eins, zwei schlafen. Jetzt aber versuche ich, dass ich zeitig schlafen gehe, gut frühstücke und fit zum Training komme.

derStandard.at: Welche europäischen Ligen interessieren Sie, welche verfolgen Sie im Fernsehen?

Kayhan: Die deutsche und die italienische Liga finde ich sehr reizvoll. Ich schaue gerne mit meinen Brüdern zu Hause. Seit wir Sky haben, müssen wir nicht mehr nur darüber sprechen, sondern können auch vieles sehen.

derStandard.at: Sie sind schon seit 1999/2000 bei Rapid. Gab es davor Überlegungen, eventuell auch zu einem anderen Verein zum Beispiel zur Austria zu gehen? Und warum fiel die Entscheidung für Rapid?

Kayhan: Am Anfang hat mich mein Bruder ins Stadion mitgenommen. Ich wollte immer schon für Rapid spielen, das hat mich immer schon gereizt, weil Rapid die Nummer eins ist. Ich habe in allen Nachwuchsteams gespielt und fahre immer wieder gerne hierher, am Anfang mit der U-Bahn und jetzt mit dem Auto.

derStandard.at: Sind Sie ein leidenschaftlicher Verteidiger oder hat sich diese Rolle zwangsläufig ergeben?

Kayhan: Im Nachwuchs habe ich auch auf der Außenbahn im Mittelfeld gespielt. Aber auf Grund meiner Zweikampfstärke bin ich Verteidiger geworden. Links, rechts, vollkommen egal wo. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Position, aber wenn ich einmal im Mittelfeld aufgestellt werde, würde es mich auch nicht stören.

derStandard.at: Wie sieht es mit Ihren Offensiv-Fähigkeiten aus?

Kayhan: Wenn es geht, versuche ich schon eins gegen eins vorbeizugehen, aber da muss ich mich physisch noch weiterentwickeln und habe noch viel zu lernen.

derStandard.at: Sie sind ein Sohn türkischer Migranten und standen (nach Berichten der "Kronen Zeitung") vor einer Einberufung in das türkische U21-Nationalteam. Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, für Österreich (3 Spiele in Österreichs U21) zu spielen?

Kayhan: Ich habe damals schon ein Freundschaftsspiel für die österreichische U21 , damals noch unter Manfred Zsak, absolviert. Deshalb hat mich das türkische Team nicht interessiert.

derStandard.at: Man kann Sie als Profi in Diensten von Rapid als positives Integrations-Beispiel sehen. Wurden Sie in der Öffentlichkeit – privat oder auf dem Fußballplatz – jemals wegen Ihrer Herkunft diskreditiert oder beleidigt?

Kayhan: Ich bin in Österreich geboren und finde, dass man sich integrieren muss, wenn man hier lebt. Ich sehe immer wieder einmal, dass Kinder etwas kaputt machen oder allerhand wegschmeißen, aber das sollte nicht sein. Beschimpft wird man immer wieder mal, aber das ignoriere ich, weil ich hier geboren bin, die österreichische Staatsbürgerschaft habe, bei einem österreichischen Klub spiele und auch seit fünf Jahren eine österreichische Freundin habe.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie aktuell den türkischen Fußball im Vergleich zum österreichischen?

Kayhan: Ich verfolge den türkischen Fußball nicht wirklich, aber finanziell sind sie sicher besser aufgestellt. Sie haben zwar viel Geld, holen immer wieder mal einen Starkicker, aber guten Nachwuchs haben sie nicht. Sie haben auch mit Besiktas nur einen Verein in der Europa League. Wir sind mit Salzburg und Rapid vertreten. Ich bin überzeugt, dass die Nachwuchsarbeit in Österreich viel besser ist als in der Türkei.

derStandard.at: Wenn man sich die Entwicklung des österreichischen Fußballs anschaut, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich in puncto Selbstvertrauen und Einstellung vieles geändert hat. Würden Sie das bestätigen?

Kayhan: Letztes Jahr waren vier Mannschaften in der Europa League. Davon profitiert auch das Nationalteam. Österreich hat eine sehr gute Nationalmannschaft. Leider macht man sich oft selbst fertig, kommt mir vor. Dabei ist man genau so stark wie die anderen. Das hat man in Belgien gesehen. Eigentlich ist vieles nur Kopfsache.

derStandard.at: Wie groß schätzen Sie die Chancen für das ÖFB-Team ein, sich für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine 2012 zu qualifizieren? (Deutschland 10 Punkte, Österreich 7, Türkei 6, Belgien 4, Aserbaidschan 3, Kasachastan 0)

Kayhan: Nach den ersten drei Partien stehen die Chancen gut, aufzusteigen. Wenn sie die Heimspiele gewinnen und auswärts immer wieder punkten, dann werden sie es schaffen.

derStandard.at: Im Nationalteam spielte zuletzt der Austrianer Klein auf der rechten Abwehrposition und wirkte dabei nicht sonderlich überzeugend. Hat Sie der Teamchef schon angerufen?

Kayhan: Mit dem Teamchef habe ich noch nicht gesprochen. Das ist die Entscheidung von Herrn Constantini und die muss man respektieren. Im Team stehen 18 gute Spieler, aber ich hoffe, dass ich auch einmal oder öfter für Österreich zum Einsatz kommen werde. Dafür muss ich aber zunächst in der Bundesliga gute Partien abliefern, dann sehen das die Verantwortlichen auch. Aber ich werde auf meine Chance warten. (derStandard.at, 1. Dezember 2010)