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Keine Fata Morgana in der kasachischen Steppe, sondern die Skyline der Hauptstadt Astana, die ab 1997 aus dem Boden gestampft wurde

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Astana/Wien - Schneefall und minus 15 Grad sind angesagt für den Abschlusstag des größten internationalen Ereignisses in der kurzen Geschichte der kasachischen Hauptstadt. Umso mehr wollen die Veranstalter des bisher siebenten Gipfels der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhindern, dass die Wetterlage zum Sinnbild für den Zustand der Institution wird, deren Gründung das Ende des Kalten Kriegs eingeläutet hat. Mit einer relativ kurzen Schlusserklärung am morgigen Donnerstag sollen Frost und Frust überwunden werden, die sich in der Vergangenheit aufgebaut haben.

Aus einer Provinzstadt in der nördlichen Steppe ließ Kasach-stans Staatschef Nursultan Narsarbajew seit 1997 eine futuristisch-pompöse Metropole aus dem Boden stampfen - Ausdruck wachsenden Selbstbewusstseins des rohstoffreichen "zentralasiatischen Tigers". Die Umbenennung in Astana ("Die Hauptstadt"), war da wohl zwingend. Denn der alte Name Aqmola bedeutet "weißes Grab" - nicht ganz passend zu den Ambitionen Nasarbajews, der schon zu Sowjetzeiten mächtigster Mann in der damaligen Teilrepublik war.

Fragen an Clinton

Der OSZE-Gipfel ist vorläufiger Höhepunkt dieser Ambitionen. Nicht alle der 56 Mitgliedstaaten sind durch ihre Staats- oder Regierungschefs vertreten. US-Präsident Barack Obama hat seine Außenministerin Hillary Clinton geschickt. Sie wird sich am Rande der Plenarsitzungen vermutlich einiges zu den jüngsten Enthüllungen über die Arbeitsweise der amerikanischen Diplomatie anhören müssen. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy lässt sich die neue Gelegenheit eines Gesichtsbades auf internationaler Ebene nicht entgehen, desgleichen der italienische Premier Silvio Berlusconi. Österreich ist durch Bundespräsident Heinz Fischer vertreten, der am Freitag einen kurzen bilateralen Staatsbesuch anschließt.

Die Schlüsselrolle kommt Kreml-Chef Dmitri Medwedew zu. Gibt Russland sein tiefes Misstrauen gegenüber der OSZE zumindest graduell auf? Unter Medwedews Vorgänger, dem heutigen Premier Wladimir Putin, hatte das außenpolitisch wieder selbstbewusst auftretende Moskau grundsätzliche Vorbehalte gegen die Organisation entwickelt, in der es ein westliches Interventionsinstrument in seiner Einflusssphäre sah, etwa durch humanitäre und Beobachtungsmissionen in Tschetschenien oder Georgien.

In den Arbeitsgesprächen zur Vorbereitung des Schlussdokuments war bis Dienstag noch kein russisches Einlenken erkennbar, verlautete aus Konferenzkreisen. Moskau beharre darauf, dass der Konsens absolute Norm für alle OSZE-Aktivitäten sein müsse. Viele Staaten, darunter Österreich, fordern größere Handlungsfreiheit des Generalsekretärs und des Vorsitzenden in akuten Krisenfällen.

Interessant ist aber auch die Position der USA. Washington hat letztlich den Gipfel in Astana gegen europäische Bedenken durchgesetzt, vor allem auch mit Blick auf die konstruktive Rolle Kasachstans im Afghanistan-Konflikt. Zugleich heißt es aus US-Regierungskreisen, man erwarte in Astana eine neue Bekräftigung der kollektiven Verpflichtung vor 35 Jahren in Helsinki. Und fügt auch hinzu, was man darunter versteht: "Ohne Respekt vor grundlegenden Freiheiten kann es keine Sicherheit geben." Ob dieser Spagat zwischen Real- und Grundsatzpolitik gelingen kann, wird die Schlusserklärung zeigen. (Josef Kirchengast, STANDARD-Printausgabe, 1. Dezember 2010)